IHE-konforme Patientenakten: Top-Thema bei GMDS-Archivtagen in Jena

img_5005-publikum-henkelgmds(Januar 2017) Die „Arbeitsgruppe Krankenunterlagen“ (AKU) der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS) bringt die Akteure zusammen, die sich im Krankenhaus, in der Wissenschaft und in der Softwareindustrie mit Patientenunterlagen beschäftigen. Das Highlight des Jahres der Arbeitsgruppe sind die „Archivtage“ im Dezember. Das kürzliche Treffen von rund 100 Fachleuten in Jena zeigte: Das Thema der Archivierung von Patientenakten und der nachgelagerten Prozesse erhält inzwischen einen völlig neuen hohen Stellenwert.

Lange Zeit betrachteten viele das Thema als notwendiges „Muss“: Die Behandlung in Krankenhäusern erforderte eine Dokumentation, Papierakten mussten revisionssicher über die vorgegebene Frist aufbewahrt und zugänglich gehalten werden – und Abrechnung, Behandlung von Wiederkehrern und ggf. Haftungsfragen erforderten die mitunter aufwändige Suche nach den Unterlagen auf Station bzw. im Archiv.

Räume sind wertvoll und die Reduktion des Personalaufwandes ist bei knappen Ressourcen ein wichtiges Ziel. So entwickelten sich über die Mikroverfilmung bis zum heutigen Scannen mit digitaler Langzeitarchivierung und Zugriff über das Krankenhausinformationssystem Lösungen, welche Platz und Arbeitskraft sparen und Risiken hinsichtlich der Verfügbarkeit mindern. Die Beweiskrafterhaltung digitalisierter Dokumente haben insbesondere Modellprojekte der GMDS veranschaulicht.

MDK-Prüfung bringt das Thema auf die Tagesordnung

Die Prüfung von Krankenhausrechnungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung brachte einen Schub für die Akzeptanz dieser neuen Ansätze: Wenn argumentationsstützende Patientenunterlagen nicht fristgerecht vorgelegt werden können, gibt es Abzüge – die sich summieren können. Mit Akten im Papieroriginal ist dies kaum zu bewerkstelligen. In der Zukunft sollen – neben elektronischen Botschaften beim Falldialog zwischen Krankenhäusern und Kassen – die Fallunterlagen in digitaler Form an den MDK übertragen werden.

Entwicklungen beim Erlösmanagement und auch bei Haftungsfragen trugen somit maßgeblich dazu bei, dass sich der Stellenwert der Dokumentation und Archivierung deutlich verändert hat – auch seitens der kaufmännischen Geschäftsführung der Häuser. Stand früher die Raumeinsparung im Vordergrund bei der Entscheidung für neue Methoden, so ist es heute die Verschlankung und Beschleunigung informationsbasierter Prozesse sowie die Reduzierung von Risiken der Nichtverfügbarkeit. Konsolidierte Archive aus gescannten und elektronisch erzeugten Dokumenten – sowie medizinischen Bildern, von Geräten patientenbezogen gelieferten Messdaten usw. – liefern hier die Basis.

Das konsolidierte digitale Archiv als Ermöglicher für den digitalen Wandel

Die Bedeutung digital verfügbarer konsolidierter Archive wächst aber weiter: Immer mehr Leistungserbringer kommunizieren mit Partnern in der Behandlungskette. Und mehr und mehr Krankenhäuser sind mit dem digitalen Wandel gestartet, der ihnen durch neue Interaktionsmöglichkeiten eine ganz neue Form der Patientenbindung, der Adhärenzkontrolle, des Verlaufsmonitorings und auch der Patientengewinnung für elektive Maßnahmen ermöglicht. Auch für Forschung und Entwicklung in Richtung der personalisierten Medizin bilden strukturierte und unstrukturierte Patientendaten die Grundlage. Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist nicht aufzuhalten – und digitale Patienteninformationen sind dabei das A und O.

Es gibt aber Hürden bei der Durchsetzung der Technologien und Methoden. Zu ihnen zählen proprietäre Formate und Abläufe, welche ein Zusammenspiel beteiligter Systeme bei der Archivierung und Wiedergabe digitaler Informationen erschweren und mitunter teuer machen. Einen großen Beitrag zur Verbesserung dieser Situation leistet die internationale Standardisierungsinitiative Integrating the Healthcare Enterprise (IHE). Sie bündelt bestehende Standards wie etwa DICOM, HL7 und künftig FHIR und beschreibt, wie sie bei Prozessen zum Einsatz kommen sollten. Wer IHE-Profile und -Architekturen nutzt, erreicht Interoperabilität.

Interoperabilität und IHE im Fokus der GMDS-Archivtage

IHE-Architekturen für die Archivierung und Zurverfügungstellung von Patientenakten waren das zentrale Thema bei den GMDS-Archivtagen in Jena. Diese Ortswahl kam nicht von ungefähr: Am dortigen Universitätsklinikum läuft ein Projekt, das auf Basis von IHE-Komponenten wie Master Patient Index, Repository und Registry die Interoperabilität des konsolidierten Archivs für die intersektorale Zusammenarbeit möglich machen wird. Auch wenn wie in früheren Jahren der mangelnde Raum – im Neubau – den ersten Impuls lieferte, stellte sich doch schnell heraus, dass die Archivierung eine weit in die Prozesse hineinreichende Bedeutung hat. – Beteiligt an diesem Projekt sind auf der Anbieterseite der Archivierungsdienstleister DMI und die Vernetzungsspezialisten von März.

Bundesweit beschäftigen sich inzwischen immer mehr Krankenhäuser damit, ihre Archivierung interoperabel aufzustellen – und sich damit auch vom einzelnen Anbieter unabhängig zu machen. Um diese Entwicklung weiter voranzubringen und für Deutschland notwendige Zusätze zu den IHE-Profilen zu definieren – etwa die Revisionssicherheit – gründete sich in Jena die IHE User Group „Archivierung“ aus Vertretern mehrerer Krankenhäuser und der Industrie. Ihr nächstes Treffen ist am 17. Januar geplant, die Gruppe ist offen für alle Krankenhaus- und Industrievertreter, die die Bedeutung von Standards für die Archivierung von Patientenakten für ihre strategischen Ziele erkannt haben; sie müssen nicht Mitglied von IHE-D sein, aber für eine Nachhaltigkeit solcher Formate sollte eine Mitgliedschaft in erwägung gezogen werden.

Neues zu IHE-Profilen im Kontext der Archivierung erfährt man künftig von der „Arbeitsgruppe Krankenunterlagen“ der GMDS, von IHE Deutschland, CCeSigG und der Entscheiderfabrik.

Quelle Text und Bild: Michael Reiter