(Juni 2016) Der “ESA Prize in Anaesthesia and Intensive Care Medicine” geht in diesem Jahr an Professor Patrick Meybohm vom Universitätsklinikum Frankfurt. Die Europäische Gesellschaft für Anästhesiologie (ESA) zeichnete den Forscher für seine Untersuchung mit dem Titel “A Multicenter Trial of Remote Ischemic Preconditioning for Heart Surgery” aus. Die Firma Dräger, ein international führendes Unternehmen der Medizin- und Sicherheitstechnik, stiftete das Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro.
Professor Wolfgang Buhre, Vorsitzender des wissenschaftlichen Ausschusses der ESA, überreichte den Preis im Rahmen der Euroanaesthesia 2016 gemeinsam mit Michael Wilkening, Leiter Upstream Marketing im Marktsegment Krankenhaus bei Dräger.
Die Untersuchung von dem deutschen Studienteam um Professor Meybohm, die im Oktober 2015 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hatte zu einem für die Fachwelt unerwarteten Ergebnis geführt. Dabei ging es um die Frage, ob sich mittels ischämischer Fernkonditionierung (Remote Ischemic Preconditioning – RIPC) im Vorfeld einer herzchirurgischen Operation Durchblutungs- und Reperfusionsschäden während des Eingriffs verringern ließen. Die positiven Signale aus bisherigen Beobachtungen und kleineren Untersuchungen in diese Richtung ließen sich durch die große, randomisierte Studie mit 1.385 Patienten aus 14 deutschen Universitätskliniken (Aachen, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Giessen, Göttingen, Jena, Kiel, Lübeck, Magdeburg, Mainz, Rostock, Würzburg) nicht bestätigen.
Ischämische und Reperfusionsschäden aufgrund von Durchblutungsstörungen entstehen einmal durch die mangelnde Durchblutung des betroffenen Gewebes selbst und anschließend bei der Wiederherstellung der Durchblutung. Bei der ischämischen Fernkonditionierung geht es darum, im zu operierenden Organ – in diesem Fall das Herz – eine Resistenz gegen solche Schäden zu erzeugen. Dafür wird in definierten Zeitfenstern vor der Operation mit technisch einfachen Mitteln absichtlich in einem anderen Körperteil (z.B. Arm oder Bein) eine Ischämie erzeugt. Die damit ausgelösten systemischen Effekte erzeugten in verschiedenen Fällen eine erhöhte Ischämieresistenz im entfernten Organ, weshalb eine grundsätzlich anwendbare Methode vermutet wurde.
Die Studie unter der Leitung von Professor Meybohm widerlegte diese Vermutung: Sie konnte anhand der Ereignisraten (Todesfall, Herzinfarkt, Schlaganfall o.ä.) in den ersten beiden Wochen nach der Operation keine kardioprotektive Wirkung der Methode ausmachen. Auch nach 30 und 60 Tagen waren die Kurven für die Ereignisraten in beiden Gruppen – denen die die Behandlung erhalten hatten und denen, die ohne entsprechende Maßnahmen operiert wurden – praktisch deckungsgleich.
„Diese Studie hat maßgebliche Erkenntnisse zur präoperativen Kardioprotektion gebracht. Dazu verdeutlicht sie einmal mehr, dass experimentelle Ergebnisse nicht ohne weiteres am Krankenbett anzuwenden sind. Sie müssen erst durch angemessene klinische Studien verifiziert werden. Und diese enden eben nicht immer mit positiven Ergebnissen,“ erklärt Prof. Buhre die Entscheidung der ESA-Jury.
ESA Prize zum zehnten Mal verliehen
Der ESA Prize in Anaesthesia and Intensive Care Medicine wird jährlich für ein Forscherteam aus der Anästhesie oder Intensivmedizin ausgelobt. Er soll die Zusammenarbeit im Team stärken und die Kooperation zwischen Klinik und Unternehmen in der wissenschaftlichen Forschung fördern. Ausgezeichnet werden wissenschaftliche Arbeiten, die bereits im Vorjahr veröffentlicht wurden. Der Preis wurde erstmals 2007 verliehen.
Quelle Text/Bild: Drägerwerk AG & Co. KGaA
BU: Preisübergabe (v.l.n.r.): Michael Wilkening, Leiter Upstream Marketing im Marktsegment Krankenhaus bei Dräger; Prof. Patrick Meybohm, Universitätsklinikum Frankfurt; Prof. Wolfgang Buhre, Vorsitzender des wissenschaftlichen Ausschusses der ESA (European Society of Anaesthesiology)