Telemedizin in Deutschland und Europa

DG Telemed Preis 2016(November 2016) Der elfte Fachkongress der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin e.V. (DG Telemed) Anfang November überzeugte mit einem spannenden, internationalen Programm. Die Veranstalter stellen dar, wo Deutschland im internationalen Vergleich steht. Ferner lieferten die Dialoge mit den Fachgesellschaften und die Praxisorientierung telemedizinischer Projekte weitere Schwerpunkte des Kongresses.

Engagierte Referenten aus Brüssel, Frankreich, Polen, Großbritannien, Österreich, Spanien und Schweden stellten Modellprojekte, Rahmenbedingungen, Gesetze und Initiativen ihrer Länder oder darüber hinaus vor. So will die Europäische Kommission die verschiedenen Akteure zusammenbringen und mit zahlreichen länderübergreifenden Aktivitäten die Gesundheitssysteme effizienter gestalten.

In Polen wurde das Fernbehandlungsverbot mittlerweile aufgehoben: Ein Arzt muss nicht mehr zwingend vor einer Behandlung direkten Kontakt mit dem Patienten vorweisen. Schweden beziehungsweise die nordischen Länder sind Vorreiter in der Telemedizin. Die geringe Bevölkerungsdichte und die großen räumliche Distanzen zwischen Mensch und Gesundheitsversorgern sorgten dafür, dass bereits 2006 sinnvolle E-Health-Projekte entstanden. Heute bietet das schwedische Patientenprotal unter anderem Zugriffsmöglichkeiten aus EHR-Systemen und Terminvereinbarung mit Ärzten. Aktuell wird ein Reha/Careportal neu eingeführt.

Die Grundlagen des E-Health-Gesetzes und seine Wirkung auf die Telemedizin in Deutschland trug Nino Mangiapane vom Bundesministerium für Gesundheit vor. Er sieht in der koordinierten Versorgung und in gemeinsamen Kommunikationsplattformen die größten Chancen der Telemedizin. Benno Herrmann von der gematik ergänzte den aktuellen Stand der Telematikinfrastruktur und künftige Ausblicke. Noch in diesem Jahr gehen die zwei Testregionen Nordwest und Südost mit je einer Universitätsklinikum, fünf bis sechs Kliniken und circa 500 Praxen in die live-Erprobung.

Der Telemedizinpreis der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin geht in diesem Jahr nach Bayern und Hessen. Die Projekte „TeleView: Telemedizinische Versorgung von Flüchtlingen“ des Telemedizinzentrums Bad Kissingen und „Brunei: Teleneurologie“ des Krankenhauses Nordwest, Frankfurt/Main, setzten sich auch aufgrund ihrer Qualität durch.

Der erste Preis „TeleView“ hat gemeinnützigen Charakter und behandelt eine wichtige Problematik in Deutschland: die Flüchtlingsversorgung. Das Projekt nutzt moderne gesellschaftliche Strukturen zur medizinischen und kulturellen Integration. Zahlreiche Ärzte mit Migrationshintergrund konnten bereits erfolgreich in der deutschen Gesellschaft Fuß fassten und anderen Flüchtlingen Unterstützung bieten. Mit einem Videokonferenzsystem und einer App demonstriert eine Pilotstudie, wie Ärzte eine Notunterkunft bei der medizinischen Versorgung via Telemedizin unterstützen können. Diese positiven Erfahrungen führten zur Ausweitung des telemedizinischen Angebots in zwei Einrichtungen in Bayern. Ferner zeigt „Tele-View“: Telemedizin ermöglicht zügige und flexible Reaktion auf aktuelle Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung.

Das Brunei-Projekt „Teleneurologie, Tele-Reha, Telewissenschaft über 12.000 km: Möglich – Persönlich – Qualitätssichernd“ vom Nordwest-Krankenhaus Frankfurt/Main ist ein Beispiel dafür, dass Telemedizin keine Grenzen kennt. Medizinisch gut versorgte Länder wie Deutschland können mit Hilfe der Telemedizin und moderner Technologien zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in weniger gut versorgten Ländern beitragen. Mit Brunei besteht eine interinstitutionelle Zusammenarbeit über 12.000 km. Neben der Akutbehandlung neurologischer Patienten wurde dort eine komplette Versorgungsstruktur implementiert. Heute garantiert dieses Modellprojekt flächendeckenden Zugang zu modernster neurologischer Spitzenmedizin. Eine neu errichtete neurologische Klinik mit Intensivstation, Stroke Unit und Spezialdiagnostik sowie verschiedenen Laboren (EEG-, Doppler-, Elektrophysiologie-und Liquor-Analyse) trägt zur Rettung zahlreiche Menschenleben in der südostasiatischen Region bei.

Das Fazit des Vorstandvorsitzenden und Gründungsmitglieds der DG Telemed, Prof. Dr. Hans-Jochen Brauns, lautete nach zwei Tagen intensivem Austausch: Die Telemedizin habe einen Quantensprung gemacht, besonders bei Leitlinien und Qualitätskriterien. Ferner sei viel Kreativität bei der Umsetzung von Projekten vorhanden. Die gemeinsame Diskussion der Fachgesellschaften zusammen mit der Ärzteschaft zeigt: Telemedizin ist Arztsache. Ärzte sollen diese gestalten und voranbringen.

So differenziert sich die DG Telemed auch von anderen Veranstaltungen, die Schwerpunkte beispielsweise mehr auf Technologien legen. In der an den Kongress anschließenden Mitgliederversammlung wurde der Vorstand der DG Telemed für die nächsten Jahre neu besetzt: Vorstandsvorsitzender ist nun Professor Dr. med Gernot Marx aus Aachen, der neue stellvertretender Vorsitzende Günter van Aalst von der Techniker Krankenkasse.

Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer