Additive Fertigung in der Medizintechnik auf dem Vormarsch

(April 2017) Ob die maßgefertigte Fußprothese oder ein individuell angepasstes Stück Schädeldecke – auf kaum einem anderen Feld kann die additive Fertigung so revolutionäre und vor allem lebenswichtige Leistungen vollbringen wie in der Medizin. Die Entwicklungen in diesem Bereich sind seit Jahren fester Bestandteil des Fachkongresses Rapid.Tech – so wieder am 20. Juni 2017, dem ersten der drei Veranstaltungs- und Ausstellungstage von Rapid.Tech + FabCon 3.D, in der Messe Erfurt.

Seit 2011 zeichnet Ralf Schumacher, Leiter Medical Additive Manufacturing an der Fachhochschule Nordwestschweiz, verantwortlich für die inhaltliche Ausrichtung des Fachforums Medizintechnik. „Insbesondere Fortschritte auf den Gebieten Orthopädietechnik und Knochenersatzmaterialien, aber auch Zulassungsbedingungen für additiv gefertigte medizintechnische Produkte bestimmen die Vorträge des Fachforums 2017. Wir kommen immer mehr von grundlegenden Forschungsthemen zu praktischen Anwenderbeispielen“, erläutert Ralf Schumacher.

Vorgestellt werden unter anderem die Entwicklung einer additiv gefertigten Fußorthese sowie die Herstellung hochbelasteter individueller Prothesen. „Beide Beispiele belegen die nahezu vollständige gestalterische Freiheit bei der additiven Fertigung, mit der hinsichtlich Gewicht und Festigkeitseigenschaften optimierte, individuell angepasste medizinische Hilfsmittel kostengünstig und innerhalb kurzer Zeit hergestellt werden können“, so Ralf Schumacher.

Ein Themenbereich des Fachforums widmet sich 3D-Druck-Verfahren zur Herstellung von Biomaterialien, die vom Körper abbaubar sind. Techniken wie das selektive Laserschmelzen bzw. –sintern eignen sich hier nicht, da die verwendeten Materialien durch den Laser zerstört würden. Besonders flexibel einsetzbar ist dagegen die Methode des extrusionsbasierten 3D-Drucks oder 3D-Plottens. Dabei können pastöse Materialien wie Biopolymer-Hydrogele und Komposit-Pasten aus Biopolymeren und mineralischen Pulvern bei Raum- bzw. physiologischer Temperatur genutzt werden, um biodegradable (im Körper abbaubare) Implantate und Scaffolds (Gerüste) herzustellen. Werden die Fließeigenschaften der Plot-Pasten richtig eingestellt, kann der Druckvorgang an Luft erfolgen, was das Verfahren vereinfacht und eine gute Verbindung der Schichten untereinander garantiert.

Weitere Vorträge zu Werkstoff- und Verfahrensentwicklungen beleuchten die additive Fertigung poröser Titanstrukturen für patientenspezifische Implantate sowie die Einbringung keramischer Nanopartikel ins Binder-System zur Verbesserung der mechanischen Stabilität bei 3D-gedrucktem Knochenersatz.

Egal, welche Materialien und Technologien genutzt werden: Eine umfassende Qualitätssicherung in jeder Prozessphase ist gerade bei sicherheitskritischen Produkten wie in der Medizintechnik essentiell. Deshalb sind Verfahren für die mikrometergenaue positionsbezogene Echtzeitüberwachung und dreidimensionale Visualisierung beim Laserschmelzen ein weiteres Thema des Fachforums. Darüber hinaus werden aktuelle sowie zukünftige regulatorische Anforderungen an die additive Herstellung von Medizinprodukten vorgestellt.

Die wachsende Bedeutung der additiven Fertigung in der Medizintechnik belegt die Zahl von 25 eingereichten Vorträgen für das Fachforum, aus denen sieben Themen ausgewählt wurden. Die Referenten kommen von der Concept Laser GmbH, der Fachhochschule Nordwestschweiz, der Mecuris GmbH, der Munsch Additive Consulting, der TU Dresden, der Universität Paderborn sowie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Neben dem Fachforum Medizintechnik werden am 20. Juni anwendungsorientierte Lösungen in den Fachforen Additive Lohnfertigung, Elektronik, Konstruktion sowie Werkzeug-, Formen- und Vorrichtungsbau vorgestellt. Am 21. Juni stehen außerdem die Fachforen Automobilindustrie und 3D Metal Printing auf dem Programm. Am 22. Juni diskutieren Experten Branchenthemen im Fachforum Luftfahrt. Parallel finden am 21. und 22. Juni die Anwendertagung und das Fachforum AM Science statt. Am letzten Messetag wird das Programm durch das Forum der Fraunhofer-Allianz GENERATIV ergänzt.

Darüber hinaus zeigen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Netzwerke an allen drei Tagen aktuelle Beispiele additiver Fertigung auf der begleitenden Fachmesse. Während die Rapid.Tech auf industrielle Anwendungen fokussiert, dient die FabCon 3.D mit der 3D Printing Conference der internationalen 3D-Druck-Community mit kreativen Start-Ups, Szene-Größen und Hobbyisten als Treffpunkt.

2016 kamen 4.500 (2015: 3.971) Fachbesucher und Kongressgäste aus 19 Ländern und 176 Aussteller aus 17 Ländern zur Rapid.Tech + FabCon 3.D nach Erfurt. Damit erreichten die Messe und der Kongress neue Spitzenwerte.

Quelle Text und Bild: Rapid.Tech + FabCon 3.D, Messe Erfurt