„Arthrose-Scanner“: Gelenkverschleiß erkennen, bevor der Schmerz beginnt

(September 2017) Mit einem Infrarot-Sensor wollen Forscher um den Ulmer Chemiker Prof. Boris Mizaikoff degenerative Veränderungen des Knorpels erkennen, bevor eine schmerzhafte Arthrose entsteht. Der Sensor soll im Zuge der minimal-invasiven Gelenkspiegelung eingesetzt werden. Das Projekt Miracle, an dem 13 europäische Partner aus Forschung und Industrie beteiligt sind, soll im Zuge des EU-Rahmenprogramms Horizont 2020 mit insgesamt 6,1 Millionen Euro gefördert werden.

In etwas mehr als drei Jahren soll der „Arthrose-Scanner“ bereits marktreif sein. Arthrose ist eine „Volkskrankheit“: Vor allem im fortgeschrittenen Lebensalter leiden zahlreiche Frauen und Männer an schmerzhaften Verschleißerscheinungen der Gelenke. Um den Knorpelabrieb einzudämmen und das betroffene Gelenk möglichst lange zu erhalten, ist eine frühzeitige Diagnose hilfreich. Forscher um Professor Boris Mizaikoff, Leiter des Ulmer Instituts für Analytische und Bioanalytische Chemie, arbeiten an einer Lösung: Ein Sensor im mittleren Infrarotbereich, der während eines chirurgischen Eingriffes eingesetzt wird, soll Knorpelveränderungen bereits feststellen, bevor eine Arthrose entsteht. Dazu bündeln 13 europäische Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus sechs Ländern, koordiniert von der finnischen Universität Oulu, ihr Wissen.

Anlaufschmerzen, Morgensteifigkeit und eine verminderte Belastbarkeit: Arthrose schränkt die Lebensqualität der meist älteren Patienten stark ein. Allerdings wird die Diagnose mittels bildgebender Verfahren oder Gelenkspiegelung oft erst gestellt, wenn der schützende Knorpel bereits stark abgetragen ist und womöglich schon die Gelenkflächen aufeinander reiben.
Dabei könnte ein Fortschreiten der Krankheit und letztlich der Ersatz des Gelenks in vielen Fällen verzögert werden, wenn Verletzungen des Knorpels frühzeitig erkannt und behandelt würden. Wissenschaftler um Professor Boris Mizaikoff entwickeln derzeit den Prototypen eines arthroskopischen Infrarot-Sensors, der krankhafte Knorpelveränderungen bereits aufspürt, bevor eine schmerzhafte Arthrose entsteht. Der neuartige Sensor detektiert molekulare Veränderungen im Zuge der minimal-invasiven Gelenkspiegelung („Arthroskopie“) und könnte eine wesentliche Bereicherung für Patientenversorgung und Forschung sein: „Neben einer verbesserten unmittelbaren Diagnostik kann mithilfe dieser Messtechnik auch der Erfolg neuartiger Therapien überprüft werden“, erklärt Professor Mizaikoff. Zudem erhoffen sich die Wissenschaftler ein besseres Verständnis der Krankheitsentstehung und -entwicklung. Das übergeordnete Ziel des Projekts Miracle ist eine personalisierte Krankenversorgung und letztlich eine geringere – auch finanzielle – Belastung des Gesundheitssystems.

Die Ulmer Forscher bringen vor allem ihre Expertise im Bereich Infrarotspektroskopie und in der Miniaturisierung molekular-spezifischer Sensortechnologien ins Projekt Miracle ein. „Der neue Sensor basiert auf einer Serie abstimmbarer Quantenkaskadenlasern, einem integrierten Strahlkombinator, Infrarot- Lichtwellenleiterfasern, sowie einem Sensorelement, das im mittleren Infrarotbereich zur Spektroskopie und Bildgebung dient. Eine Herausforderung ist die Integration all dieser Komponenten in ein hochkompaktes Format, das die tatsächliche Anwendung während des arthroskopischen Eingriffs erlaubt“, erklärt Professor Mizaikoff. Ein miniaturisierter Prototyp hat im Vorfeld des Projekts bereits überzeugt: In Meniskusproben konnten beispielsweise krankhafte Veränderungen, aber auch atherosklerotische Ablagerungen an der Blutgefäßinnenseite erfolgreich detektiert und klassifiziert werden.

Im Zuge einer Gelenkspiegelung dürfte Miracle für den Operateur einfach zu handhaben sein und akkurate Ergebnisse liefern, weshalb der Sensor möglichst schnell bis zur Marktreife entwickelt werden soll. „Nicht zuletzt aus diesem Grund gehören zahlreiche Partner aus der Industrie zum Team, so dass zum Ende des Projektes ein marktreifer Prototyp vorgestellt werden kann“, betont Mizaikoff.

Quelle Text: Universität Ulm

Quelle Bild: Prof. Mizaikoff privat