Auch Ärzte werden nicht steril geboren

(Juni 2019) Bis zu 700.000 Menschen infizieren sich jährlich in Deutschland im Krankenhaus. An den Folgen nosokomialer Infektionen sterben, je nach Schätzung, bis zu 40.000 Patienten. Die Übertragung der Keime erfolgt zu 90 Prozent über die Hände. Eine gute Handhygiene in den Krankenhäusern ist der beste Schutz vor der „Krankenhauskrankheit“. Untersuchungen zeigen, dass mit einer Verbesserung der Hygiene eine Reduktion dieser Infektionen um bis zu 40 Prozent erreichbar wäre.

Tobias Gebhardt, Geschäftsführer der GWA Hygiene GmbH, Stralsund, erläutert: „In der Praxis wird durchschnittlich nur jede zweite Händedesinfektion vom Krankenhauspersonal tatsächlich durchgeführt.“ Darin sieht der Experte für Handhygiene eine Ursache für vermeidbare Infektionen. Gebhardt weist auch darauf hin, dass in vielen Krankenhäuser das Problem oben beginnt. „Es sind häufig die Ärzte selbst, die es an der notwendigen Handhygiene fehlen lassen. So mancher Mediziner vermittelt den Eindruck, er wäre steril geboren.“
Die Grundlage für diese Einschätzung liefern Daten, die Gebhardt durch die Dokumentation von Handdesinfektionsspendern gewinnt. GWA Hygiene hat Sensoren entwickelt, die an den Spendern angebracht die Nutzung seitens des Klinikpersonals aufzeichnen. Seit Mitte 2017 wurden so an 6.000 Handdesinfektionsspendern rund 5,7 Millionen einzelne Handdesinfektionen registriert. Gebhardt sagt: „Mit diesem tiefen Blick in den klinischen Alltag können wir die Defizite erkennen.“
Gerade in jenen Fällen, wo das Vorbild der vorgesetzten Ärzte fehlt, lassen auch die Mitarbeiter oft die nötige Sorgfalt vermissen. Gebhardt erläutert: „Das ist auch ein hierarchisches Problem. Wenn die Chefs in den Krankenhäusern ihrer Pflicht nicht ausreichend nachkommen, beeinträchtigt das die notwendigen Verhaltensänderungen bei Krankenschwestern und Pflegern.“ Untergebene trauen sich mitunter nicht, Ärzte auf ihre mangelnde Händehygiene hinzuweisen.
Die Händehygiene ist seit 2013 gesetzlich strikt geregelt und krankenhausinterne Compliance-Beauftragte sind verpflichtet, die Einhaltung zu überprüfen. Die Erfahrungen der Compliance-Beauftragten zeigen jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung des Krankenhauspersonals und der tatsächlichen Einhaltung von Hygiene-Vorschriften. Gebhardt beobachtet: „Die Selbstwahrnehmung des Krankenhauspersonals weicht häufig von unseren digitalen Messergebnissen ab.“ Die erhöhte Transparenz hilft jedoch dabei, die Handhygiene noch ernster zu nehmen und die Vermeidung nosokomialer Infektionen als Teamaufgabe anzugehen.
Dabei ist eine umfassende Händehygiene nicht nur wichtig zum Patientenschutz, sondern auch zum Selbstschutz. Eine regelkonforme Händedesinfektion würde bewirken, dass die Mitarbeiter im Krankenhaus seltener krank werden. Zudem würden rechtlich unklare Situationen im Hinblick auf Mitarbeiter, die beispielsweise Träger eines multiresistenten Erregers sind, vermieden. In Krankenhäuser gibt es erhebliche Unsicherheiten bei der Frage, ob infizierte Mitarbeiter noch Patienten behandeln dürfen oder das Risiko einer Übertragung auf den Patienten zu groß ist? Wer trägt die Kosten für die Berufsunfähigkeit von Krankenhauspersonal als Folge von multiresistenten Keimen? So weiß Gebhardt: „Mit diesen Fragen setzt sich das Klinikmanagement zunehmend auseinander und hat auch aus wirtschaftlichen Gründen ein großes Interesse daran, dass sich die Händehygiene in ihren Krankenhäusern verbessert.“
Quelle Text und Bild: GWA Hygiene