Audiotechnik für den Operationssaal

(Mai 2019) Forscher von der Fraunhofer-Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie (PamB) entwickeln zusammen mit der Universitätsmedizin Mannheim und Unternehmen aus der Musikindustrie ein System, das die Kommunikation zwischen Chirurg, Patient und Logopäde während einer neurologischen Wach-OP verbessert. Es hilft dabei, bleibende Sprachstörungen zu vermeiden.

Neurologische Wach-OPs verlangen allen Beteiligten einiges ab: Schmerzen bleiben den Patienten zwar erspart, doch sind sie bei Bewusstsein, während der Chirurg den Tumor entfernt, damit sichergestellt werden kann, dass der Arzt um das Sprachzentrum herum operieren kann. Das regelmäßige Piepsen des Narkosemonitors, das Summen der Werkzeuge, die der Chirurg verwendet, die mündlichen Abstimmungen, die während des Eingriffs stattfinden – alles bekommen die Patienten mit.

Der Chirurg muss über Stunden hochkonzentriert arbeiten. Umgebungsgeräusche blendet er aus. Der Patient hingegen wird dadurch eher angespannt und empfindet den Klang der chirurgischen Instrumente mitunter als unangenehm. Befindet sich der Tumor nahe des Sprachzentrums, führt ein Logopäde während der Operation Tests durch: Der Patient muss vorlesen, Dinge benennen, Sätze vervollständigen. Die ständige Geräuschkulisse und die Operationsgeräusche direkt hinter dem Ohr des Patienten erschweren allerdings die Kommunikation und die notwendige sprachliche Interpretation des Gesagten durch den Logopäden.

Erste Tests erfolgreich

»Das Bewusstsein für logopädische Befunde ist in den vergangenen Jahren gewachsen«, erklärt Jens Langejürgen, der sich bei der PAMB mit biomedizinischen Sensoren und Mikrosystemen beschäftigt. »Heute genügt es nicht mehr zu wissen, ob der Patient überhaupt noch sprechen kann. Stattdessen achten Logopäden verstärkt auf Nuancen, auf die richtige Artikulation.« Die Zeit ist also reif für ein Kommunikationssystem, das Wach-OPs für alle Beteiligten angenehmer gestaltet.

Dieses entwickelt der promovierte Ingenieur Langejürgen derzeit mit Ärzten vom Universitätsklinikum Mannheim, dem Förderungszentrum Startup Mannheim und drei Unternehmen aus der Musikindustrie. Sie haben sich zur Arbeitsgruppe »Musik & Medizin (-technologie)« zusammengeschlossen und passen gemeinsam moderne Audiotechnik an die Verhältnisse im Operationssaal an: »Die Kopfhörer müssen für störende Umgebungsgeräusche möglichst undurchlässig und komfortabel zu tragen sein, weil sich neurologische Wach-OPs oft über viele Stunden hinziehen. Die Steuerung muss einfach und für den Chirurgen berührungslos möglich sein«, erläutert Langejürgen. Auch der Einfluss von Mundschutz und OP-Kleidung sowie der schnelle Zugang zum Patienten bei Notfällen muss das Team berücksichtigen.

Erste Tests im Hybrid-OP, einem experimentellen Operationssaal, den die PAMB am Universitätsklinikum Mannheim betreibt, sind erfolgreich verlaufen. Im nächsten Schritt bauen die Projektpartner im Hybrid-OP einen funktionsfähigen Demonstrator auf und entwickeln das Kommunikationssystem gemeinsam weiter.

Sprachstörungen werden unwahrscheinlicher

Es wird also nicht mehr allzu lange dauern, bis sich Patienten bei ihrer Lieblingsmusik auf dem Operationstisch entspannen und dabei kaum noch von Umgebungsgeräuschen gestört werden. Hin und wieder wird sich der Logopäde einschalten, die Musik unterbrechen und ein paar Tests durchführen. Weil auch er weitgehend von Störgeräuschen isoliert ist, wird er selbst kleinste Sprachstörungen mühelos heraushören. Dann wird er auf den Kommunikationskanal mit dem Chirurgen umschalten und diesem seinen Befund mitteilen.

Angehörige des Patienten, Dolmetscher oder andere externe Helfer können bei Bedarf in die Kommunikation eingebunden werden. Weil alles aufgezeichnet wird, kann der Logopäde die Operation später noch einmal Revue passieren lassen und seine Schlüsse daraus ziehen – für die nächste neurologische Wach-OP. So wird es immer unwahrscheinlicher, dass ein Patient bleibende Sprachstörungen davonträgt.

Quelle Text: Fraunhofer IPA

Quelle Bild: © Fraunhofer IPA/Foto: Vanessa Stachel