Fünfter deutscher Interoperabilitätstag: aktuelle Bedarfe für das digitale Gesundheitswesen

(November 2020) Die Digitalisierung des Gesundheitswesens erlebt mit der Coronapandemie einen großen Schub. Damit dieser genutzt werden und eine digital unterstützte Gesundheitsversorgung umfassend greifen kann, braucht es Interoperabilität. Der fünfte Interoperabilitätstag (DIT), erstmals als Onlineformat, brachte Politik, Selbstverwaltung, Wissenschaft und Industrie zusammen.

Interoperabilität, Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), digitale Leitlinien, PROMS und Terminologien standen Ende Oktober auf der Agenda.

„Wir wollen die Digitalisierung in Deutschland deutlich in den Turbomodus bringen. Es besteht der dringende Bedarf an übergreifendem, koordiniertem Vorgehen mit einer gemeinsamen Zielsetzung aller Expert:innen für Interoperabilität, nämlich die der nachhaltigen Standards, die sowohl in Deutschland als auch in Europa lange Bestand haben werden und die Nutzerfreundlichkeit im Fokus haben“, eröffnete gematik-Geschäftsführer Dr. med. Markus Leyck Dieken, mit Blick auf die Interoperabilität. Dabei sei auch wichtig, Insellösungen und redundante Systeme abzuschaffen, um ein wirtschaftlicheres Gesundheitssystem zu realisieren. „Interoperabilität ist etwas Soziales“, ergänzte Dr. Kai Heitmann vom Health Innovation Hub (hih). Nicht einer solle alles allein entscheiden, sondern Stakeholder, Experten und andere involvierte Akteure die Entscheidung maßgeblich mitbegleiten. Dafür werde derzeit ein Strategiepapier erarbeitet, an dem öffentlich mitgewirkt werden kann, um ein Best-Practice zu erzielen.

Das Gesundheitswesen erlebt eine Zeitenwende

Heiß diskutiert ist auch das Thema der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Seit Anfang Oktober können Ärztinnen und Ärzte Apps auf Rezept verschreiben. Besonders jetzt zur Pndemie sei deutlich geworden, wie digitalaffin die deutsche Bevölkerung sei, so Prof. Jörg Debatin vom hih in seinem Impulsvortrag. Die Corona Warn App habe mittlerweile über 20 Mio. Downloads und über eine Mio. Testresultate dank der Mithilfe der App-User. Drei DiGA seien bisher gestartet. Diese fokussierten darauf, den Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Weitere sollen folgen. „Entscheidend bezüglich der Interoperabilität ist, dass die DiGA Teil einer gesamten Digitallandschaft sind mit der elektronischen Patientenakte als Fundament. Die DiGA sollen mit der elektronischen Patientenakte kommunizieren können und Teil der medizinischen Dokumentation der Patientendaten werden“, schloss Prof. Debatin seinen Vortrag zum Einsatz der DiGA in der Gesundheitsversorgung.  Mittlerweile sind übrigens fünf DiGA auf der Liste.

Eine gemeinsame Sprache finden

Bei der Gesundheitsversorgung stehen der Patient und die Patientin im Vordergrund. Wie also ist es es um deren Rückmeldung zu persönlichem Befinden, Symptomen und Therapietreue im Rahmen digital unterstützter Behandlung bestellt? Und wie lässt sich die Kommunikation zwischen behandelndem Arzt und den Patienten optimieren? Mit Hilfe von Patient Related Outcomes (PROMs) kann das bestmögliche Resultat für den Patienten ermittelt werden. Prof. Dr. med. Claudia Spies von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) e.V., Charité – Universitätsmedizin Berlin, erläuterte Näheres zu den Einsatzgebieten von PROMs und zeigte, wie die gemessenen Qualitätsindikatoren den Behandlungserfolg nachhaltig mitgestalten können, auch bei Televisiten. Prof. Dr. med. Gernot Marx, FRCA, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen und Mitglied im Präsidium der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), ergänzte: „Ich glaube, dass ganz wichtig ist, dass sich der Patient nicht nur als Datengeber empfindet, sondern einen fühlbaren Benefit bekommt“. Die Diskussionsrunde widmete sich daher der Schaffung standardisierter, technischer und semantischer Beschreibungen der Workflows und Parameter und die avisierte Festlegung auf eine einheitliche Sprache mit SNOMED CT oder LOINC.

Eine gemeinsame Kodierungssprache muss her, wenn die Zukunft wirklich interoperabel sein soll. Ein Beispiel dafür, wie in der Schweiz SNOMED CT bereits erfolgreich in interoperablen Systemen im Bereich der Telemedizin zum Einsatz kommt, präsentierte Dr. Sang-Il Kim von der Abteilung Digitale Transformation beim Bundesamt für Gesundheit BAG in der Schweiz. Dabei konnte sich HL7 FHIR standardmäßig als Austauschformat für Daten durchsetzen. Die gesammelten Erfahrungen aus der Schweiz könnten somit als Vorbild für Deutschland dienen. In einer Diskussionsrunde zum künftigen Einsatz von SNOMED CT böte sich diese Terminologie unter anderem für den elektronischen Impfpass oder für die Dokumentation von Allergien und allergieauslösende Substanzen an, sagte Heike Dewenter vom bvitg e. V.

Es habe besondere Stärken für den Einsatz im klinischen Bereich, doch andere Terminologien werden nicht abgelöst, so Dr. Danny Ammon von der Medizininformatik-Initiative des Universitätsklinikums Jena. Beispielsweise sei LOINC besonders für den Laborbereich geeignet. Bereits jetzt gebe es Mappings zwischen den Terminologien, die auch in Zukunft parallel zueinander agieren können, schloss Ammon.

Veranstalter waren der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg), HL7 Deutschland e. V., IHE-Deutschland e. V., der Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen (SITiG e.V.) und die ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH.

Quelle Text und Bild: ZTG NRW