Digitalisierung im Sozial- und Gesundheitswesen

(April 2018) In Merseburg trafen einander rund 100 Krankenhausdirektoren und Führungskräfte/Entscheider des Klinikmanagements zur Frühjahrstagung der VKD-Landesgruppe Mittelsachsen vom 12. bis 13. April 2018. Neben spannenden Vorträgen rund um die Themen Digitalisierung im Sozial- und Gesundheitswesen standen eine Führung im Dom ebenso auf dem Programm wie Zeiten für Networking und Kulinarik.

Der Oberbürgermeister der Stadt, Jens Bühling, sowie die Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, Beate Bröcker, eröffneten persönlich die Veranstaltung mit informativen Fakten zur Region und zum historischen Ständehaus, in dem die Konferenz stattfand.

Beate Bröcker unterstrich, wie wichtig die Digitalisierung gerade in ländlichen oder strukturschwachen Regionen sei. Die Akquise von Personal wie Ärzten, Pflege- und technischen Fachkräften sei eine große Herausforderung, doch meistern lasse sie sich mit den heutigen Mitteln einfacher. Im Hinblick auf technische Entwicklungen sei vieles möglich, aber nicht alles sinnvoll. Man müsse abwägen und die Ressource Mensch sinnvoll einbinden. Das Bundesland richte auch keine Insellösungen ein, sondern plädiere für eine gemeinsame Infrastruktur mit Standards. Ein wichtiges Ziel sei dabei, den praktischen Nutzen digitaler Anwendungen voranzubringen – zum Wohl für den Patienten.

Kein Arzt und kein Internet

Der Dezernent für Gesundheit und Soziales des Saalekreises, André Wähnelt, wies auf ein noch ungelöstes Problem der Digitalisierung hin: An den Orten, an denen die Landkarte weiße Flecken in Bezug auf die Ärzteansiedlung/-dichte zeige, sei bisher auch kein Internet verfügbar. Wie sollen so telemedizinische Lösungen zur Verbesserung des Versorgungszugangs etabliert werden?

Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen-Anhalt, beleuchtete aktuelle gesundheitspolitische Themen aus Sicht der Krankenkasse. Auch wenn faktisch nur zweieinhalb Jahre für die Regierungsarbeit in der aktuellen Legislaturperiode zur Verfügung stehe, sehe er wichtige Punkte wie die Schaffung von neuen Pflegestellen berücksichtigt. Weiterhin müssen neue flexible Versorgungsmodelle geschaffen werden, da die Patienten in Zukunft keine Termine in Filialen, sondern vermehrt Internetanwendungen, Apps, Telefon- und Videocalls auch zu erweiterten Servicezeiten abends und am Wochenende einfordern. Für die Barmer sind Apps ein wichtiger Schritt in Richtung mündiger Versicherter, aber doch eher Marketing als Versorgungsleistung. So nimmt die Kasse künftig auch keine Apps, die als Medizinprodukte zertifiziert sind, in ihr Programm auf.

Dr. Gösta Heelemann zeigte in einem Parforce-Ritt durch die Paragraphen der Gesetzgebung auf, dass der bisherige Umsetzungsstand nur eine Korrektur im Detail sei. Der Geschäftsführer der Landeskrankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt unterstrich, dass Qualität selbstverständlich gegeben sein müsse. Leider blieben wichtige Themen wie die Notfallversorgung, Qualitätsverträge, Personaluntergrenzen, MDK-Regelungen und vieles mehr ungeregelt, die wenigen guten Botschaften seitens der Politik verliefen im Sande.

IT wird immer wichtiger

Eine Definition, was Digitalisierung heißt, versuchte Dr. Pierre Michael Meier, stellvertretender Sprecher der Entscheiderfabrik. Sie sei nicht gleichzusetzen mit IT, sondern bedeute eine Dekonstruktion von Geschäftsmodellen. Seine Handlungsaufforderung lautet: Das Klinikmanagement muss sich neu ausrichten und den Austausch von Patientendaten (HIE) in die Strategie mit aufnehmen. Im Vergleich mit Deutschlands seien in den USA Datenschutz und IT-Sicherheit dort (doch) hoch aufgehängt – mit starkem Opferschutz, wenn dynamische Innovationen Probleme bringen. Hierzulande wiederum versuche man, vor jeglicher Entwicklung alles Vorstellbare in Regeln zu packen, was den Fortschritt hemme. Zwei IT-Leiter verdeutlichten an einem Digitalisierungsprojekt, der Integration von Smartphones und Tablets in die Krankenhaus- und Pflege-IT, dass Mobilität nur ganz oder gar nicht funktioniere. Sie brauche ein strategisches Konzept, Use-Cases sollten von Anfang an definiert werden, die Verfügbarkeit des WLANs im gesamten Klinikbereich, vor allem auch an Übergängen zwischen Gebäuden, spiele eine übergeordnete Rolle. Das Ganze gelingt nur per Teamwork.

Laut Dr. Rolf Porsche ist Digitalisierung hingegen schwer zu definieren, eigentlich seien alle diesbezüglichen Versuche richtig. Das Thema sei so vielseitig und wichtig, es komme einfache unaufhaltsam – wir hätten es allerdings in der Hand, manche Dinge zu beeinflussen. Denn nicht die Technologien seien entscheidend, sondern deren smarte Nutzung erzeuge Mehrwerte.

Auch Sicherheitsthemen, KRITIS und rechtliche Aspekte standen auf der Agenda. Wichtige zentrale Botschaften lauten hier: Vorbeugen, Schulung von Mitarbeitern, regelmäßige Datensicherungen und Updates sind unabdingbar auf dem Weg zum Krankenhaus 4.0. Sicherheit ist kein Produkt, sondern ein Prozess, betonte Konrad Christoph, der über das SHD Systemhaus Dresden und das Universitätsklinikum Dresden einen KRITISchen Stammtisch ins Leben gerufen hat, an dem sich alle mittteldeutschen KRITIS-Kliniken beteiligen dürfen.

News aus Deutschland und Dänemark

Wie man Fachkräfte in der Gesundheitsbranche erfolgreich gewinnen kann, zeigte Prof. Dr. Jörg Klukas mit herausragenden Ergebnissen des Projektes SANOsax.de auf. Das erst seit Februar dieses Jahres agierende Portal vermittelte bereits 387 Fachkräfte mit 46 Empfehlungen – nicht über unpersönliche Onlineakquise, sondern nach Gesprächen mit konkreter Einschätzung der fachlichen Herausforderungen an das jeweilige Personal, das die Einrichtungen benötigen.

Der Däne Morten Petersen stellte das dänische Gesundheitsportal sundhed.dk vor, das seit sieben Jahren online Informationen für bereits 1,7 Millionen Nutzer bereitgestellt hat. Elektronische Patientenakten mit öffentlich betriebener Infrastruktur waren der Schlüssel zum Erfolg beim Umbauen des dänischen Gesundheitssystems. Er rät den Deutschen, den Willen zum Wandel breit zu klären und in einer konzertierten Aktion aller umzusetzen. Von europäischen Modellen, wie es sie auch in Estland, der Schweiz, Österreich etc. gibt, kann Deutschland noch lernen.

Peter Zur, Landesvorsitzender der VKD Mittelsachsen, hat mit der abwechslungsreichen Agenda den Zeittrend genau richtig getroffen. Auch das Rahmenprogramm zeigte wieder einmal auf, welche wunderschönen Kleinode die Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bereithalten. So blicken wir gespannt auf die Herbsttagung am 8. und 9. November in Meißen – sicherlich gibt es hier weitere Neuigkeiten, nicht nur aus dem Bundesministerium für Gesundheit, das mit Minister Spahn möglicherweise bisher unbekannte Wege einschlägt …

Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer