Erste Klinik in Europa durch künstliche Intelligenz gesteuert?

(November 2018) Angesichts steigender Patientenzahlen sind Kliniken heute mehr denn je gefordert, Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz ihres Betriebes zu finden. Gleichzeitig sollten sie ihre hohe Versorgungsqualität aufrecht erhalten. Dieser Spagat ist auch in Deutschland spürbar: Mehr als 40 Prozent aller öffentlichen Kliniken in Deutschland arbeiten laut einer aktuellen Studie* nicht profitabel, Tendenz steigend. 

In diesem Zusammenhang ist jetzt ein erstes wichtiges Projekt in Europa in Großbritannien gestartet: Hier hat GE Healthcare gemeinsam mit dem Bradford Teaching Hospitals NHS Foundation Trust mit der Errichtung eines Command Center in der Bradford Royal Infirmary (BRI) begonnen. Als bisher erstes seiner Art in Europa wird dieses mit einem einer Kommandozentrale in der Flugsicherung ähnlichen Command Center die Art und Weise, wie die Versorgung durchgeführt und organisiert wird, verändern. Die Zahl der in Kliniken behandelten Patienten steigt kontinuierlich weiter an – so auch im BRI. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) wird das Command Center einen detaillierten Echtzeit-Überblick über das 800-Betten-Krankenhaus bieten und den Mitarbeitern helfen, schnelle und fundierte Entscheidungen zu treffen, wie sie die Patientenversorgung optimal steuern können.

Auf der Wall of Analytics laufen kontinuierlich Streams von Echtzeitdaten der verschiedenen Systeme des Krankenhauses zusammen, die die bis zu 20 Trust-Mitarbeiter verfolgen können. Durch ausgereifte Algorithmen können Versorgungsengpässe von den Mitarbeitern prognostiziert werden, die ausgegebenen Empfehlungen ermöglichen eine effizientere Patientenversorgung und eine bessere Zuteilung der Ressourcen. Die Daten werden auf mehreren hochauflösenden Bildschirmen im Command Center sowie auf Tablets und mobilen Geräten angezeigt, so dass die Ärzteteams in der gesamten Klinik rund um die Uhr durch das System unterstützt werden.

Das Command Center wird zentral in einem dedizierten Raum auf dem BRI Gelände gelegen sein. Unnötige Klinikaufenthalte nach dem medizinisch sinnvollen Entlassungszeitpunkt können so reduziert werden und der Anteil von Patienten, die innerhalb von vier Stunden ankommen, aufgenommen und aus der Notaufnahme verlegt oder entlassen werden, wird erhöht. Zudem wird gewährleistet, dass die Patienten möglichst immer in der geeigneten Abteilung behandelt werden.

Die Bettenkapazität der BRI ist regelmäßig zu mehr als 96 Prozent ausgelastet. In den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der in der Notaufnahme behandelten Patienten um mehr als 40 Prozent auf zuletzt 125.000 Fälle.

Das Programm des Command Center entspricht dem Anspruch des Bradford Teaching Hospitals NHS Foundation Trust, Klinikaufenthalte zu verkürzen, den Bedarf an zusätzlichen Stationen und Betten – insbesondere zu Spitzenzeiten im Winter – und den Ausfall von Operationen, die keine Notfälle sind, zu reduzieren.

„Die Nachfrage nach Dienstleistungen an den Bradford Teaching Hospitals steigt mit jedem Jahr weiter an“, so Professor Clive Kay, Geschäftsführer des Bradford Teaching Hospitals NHS Foundation Trust. „Das Command Center wird uns ermöglichen, unsere Ressourcen zu optimieren und die Effizienz, mit der wir die Patienten innerhalb der Klinik für ihre Behandlung bewegen und erfolgreich entlassen, verbessern. Rund 350 bis 400 Patienten durchlaufen täglich unsere Notaufnahme. Den Druck auf unsere 6.000 Mitarbeiter zu reduzieren, bedeutet, dass diese mehr Zeit für die tatsächliche Versorgung von Patienten haben, und weniger mit der Organisation dieser Versorgung beschäftigt sind.“

„Kliniken suchen heute verstärkt nach Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz ihres Betriebes, um auch bei steigenden Patientenzahlen ihre hohe Versorgungsqualität beibehalten zu können. Command Centers helfen bei der Organisation der Versorgung in der Einrichtung und bringen Konsistenz in die Abläufe, indem sie Tätigkeiten Prioritäten zuordnen, Verschwendung verhindern und bereits heute zukünftige Herausforderungen vorhersagen“, sagt Mark Ebbens, European Command Center Lead bei GE Healthcare.

In Nordamerika haben bereits mehrere Krankenhäuser das Konzept der „Command Centers“ erfolgreich eingeführt, darunter das John Hopkins Hospital, eine gemeinnützige Klinik mit 1.100 Betten in Baltimore, und das Humber River Hospital im kanadischen Toronto. Seit der Einführung des Command Centers am John Hopkins Hospital werden Patienten aus anderen Krankenhäusern 60 Prozent schneller verlegt und die Wartezeiten in der Notaufnahme und auf ein Stationsbett nach einer OP sind um 25 Prozent bzw. 70 Prozent gesunken.

„GE Healthcare verfolgt den Ansatz einer ‚Precision Health‘ – also einer Präzisionsgesundheit. Es ist eine große Ehre für uns, das NHS Bradford Team bei der bestmöglichen Effizienz in der Patientenversorgung unterstützen zu können“, erklärt GE Healthcare CEO Jeff Terry, zuständig für den Bereich Command Centers.

Die Eröffnung des Centers des Bradford Teaching Hospitals ist für Frühjahr 2019 geplant. „Im Vergleich zu anderen Ländern hat Deutschland sehr hohe Kosten im stationären Bereich,“ so Michael Stockhammer, General Manager DACH bei GE Healthcare. „Das Command Center hilft dabei, wesentliche Parameter transparent zu machen und frühzeitig auf Engpässe und Veränderungen reagieren zu können. Wir sehen hier sowohl für private Klinikketten als auch öffentliche Häuser ein enormes Effizienz-Potenzial. Durch das Command Center lassen sich die relevanten Parameter eines Klinikbetriebes von einem zentralen Punkt aus überwachen und anhand von Real Time Daten sowie durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz Prognosen hinsichtlich personeller Engpässe oder Überkapazitäten treffen.“

*Roland Berger Krankenhausstudie:
https://www.rolandberger.com/de/Publications/Krankenhausstudie-2017.html (letzter Zugriff am 30.10.2018)

Quelle Text: GE Healthcare / Bradford Teaching Hospitals NHS Foundation Trust

Quelle Bild: GE Healthcare (Command Centre im Humber River Medical Center)