Flexibilität gefragt: Ventile in der Dialyse

(Oktober 2023) Die technischen Anforderungen an Dialyseverfahren steigen. Hersteller sind vermehrt auf Lieferanten angewiesen, wenn es um die Erfüllung regulatorischer Anforderungen für Ventile und Fluidsteuerungen geht. Sie müssen leistungsfähig + zuverlässig sein und gesetzliche Vorgaben erfüllen – insbesondere mit Blick auf die Medizinprodukte-Durchführungsverordnung.

Mit der stetig wachsenden und alternden Weltbevölkerung nimmt auch der Bedarf an fortschrittlichen medizinischen Therapiemöglichkeiten wie der Dialyse weiter zu. Ebenso steigen die Erwartungen der Patienten am komfortablen Zugang zu den Behandlungsverfahren, kürzeren Dialysezeiten, geringeren Infektionsrisiken und besseren medizinischen Resultaten. Die Hersteller von Dialysegeräten haben diese Erwartungen in der Vergangenheit kontinuierlich erfüllt: So haben sie Hämodialysegeräte in Krankenhausqualität gebaut, die die Kliniksitzungen von 12 auf 4 Stunden verkürzen und die Peritonealdialyse zu Hause „im Schlaf“ nicht nur möglich, sondern auch zu einer bevorzugten Option gemacht.

Dabei ist jeder Fortschritt, der die Dialysetechnik sicherer, schneller, mobiler und effektiver für den Patienten macht,  hart erkämpft. Zugleich stehen Hersteller und Zulieferer vor großen Herausforderungen: So müssen sie nicht mehr nur die medizinische Seite des Prozesses beherrschen, etwa ein durch Anwendung physikalischer Gesetze ermöglichtes präzises Blutfiltrations- und -reinigungsverfahren. Vielmehr müssen sie nun auch die Technologie durch Komponenten und Produkte umsetzen, die immer höhere gesetzliche Standards erfüllen und gleichzeitig die Prozesskonsistenz, Zuverlässigkeit und Kosteneffizienz verbessern.

Dazu trägt mitunter die seit Mai 2021 geltende Europäische Medizinprodukteverordnung (MDR) bei. Diese enthält, etwa mit strengeren Änderungskontrollen, verschärfte Vorgaben für Hersteller, zugleich stellen auch die US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und andere globaler Behörden erhöhte Anforderungen.  Folglich sind Hersteller von Dialysegeräten auf Anbieter von Automatisierungs- und Steuerungssystemen für Flüssigkeitssysteme angewiesen, die sie bei der Erfüllung der behördlichen Regularien unterstützen können und ihnen das erforderliche Sortiment an Ventilen und Fluidsteuerungen anbieten.

Herausforderungen bei der Hämodialyse

Wie sich die regulatorischen Anforderungen auf die Praxis auswirken, zeigt sich am Beispiel der Hämodialyse. So verlangen MDR- und FDA-Vorschriften, dass alle benetzten Oberflächen der Flüssigkeitsleitungen aus intensiv getesteten biokompatiblen Materialien bestehen müssen. Diese müssen über ihre gesamte Lebensdauer durchgehenden Änderungskontrollen unterliegen, um ihre konstante Qualität und Reinheit sicherzustellen. Dem liegt zugrunde, dass Flüssigkeitsleitungen von Hämodialysegeräten direkt mit menschlichem Blut und verwandten Körperflüssigkeiten in Berührung kommen.  . Darüber hinaus müssen alle mechanischen Komponenten zur Durchflusskontrolle, wie z. B. Pumpen oder Ventile, aus biokompatiblen Materialien bestehen und gleichzeitig eine vollständige „Isolierung“ gewährleisten, d. h. eine hermetische Trennung zwischen ihren Leistungs-/Steuerungs-/Betätigungsmechanismen und dem Flüssigkeitsweg, über den das zu reinigende Blut befördert wird. Diese Isolierung verhindert das Risiko einer Kontamination durch Metallpartikel oder externe Krankheitserreger.

Weitere zentrale Anforderungen sind eine hohe Zuverlässigkeit und Konfigurierbarkeit. Zuverlässigkeit ist dabei von entscheidender Bedeutung, da Hämodialysegeräte in Kliniken ständig im Einsatz sind. In diesem Zusammenhang bedeutet verbesserte Zuverlässigkeit den Einsatz von Stromregelventilen, die realistischerweise eine Lebensdauer von 5 bis 6 Millionen Zyklen über einen Nutzungszeitraum von drei bis vier Jahren erreichen können. Die Konfigurierbarkeit ist ebenfalls entscheidend, denn für eine große Hämodialysemaschine können 20 oder 30 Ventile erforderlich sein – genug also, um drei oder vier identische Dialyse-/Filtrationskreisläufe gleichzeitig zu betreiben.

Konfigurierbarkeit bezieht sich dabei auf alle Aspekte von der Modifizierung einzelner Ventilkörper bis hin zur Kombination mehrerer Ventildurchflusswege – und natürlich der zugehörigen Aktoren/Steuerungen/Platinen (PCBs) – bis zu kompakten Sammelanschlüssen, die den Abmessungsanforderungen entsprechen. Dies kann auch Änderungen an der Steuerung, den Kabeln und Anschlüssen oder der Geräuschentwicklung eines Ventils bedeuten: Dialyseventile werden in der Regel pneumatisch betätigt und müssen in einer relativ ruhigen Krankenhaus- oder Klinikumgebung oder sogar während des Schlafs eines Patienten zu Hause arbeiten.

Erst wenn ein Ventil alle genannten Anforderungen  hinsichtlich Vorschriften, Werkstoff, Isolierung, Konstruktion, Herstellbarkeit und Montage  erfüllt, kommt seine eigentliche Funktion ins Spiel. Im Rahmen des Hämodialyseprozesses müssen Fluiddruck und -durchfluss sorgfältig und konstant durch eine Reihe von Dialysekreisläufen gesteuert werden. Bei diesen Kreisläufen wird ein Blutvolumen einer physikalischen Filtration und einem Diffusions-/Osmoseprozess unterzogen, bei dem Abfallprodukte aus dem Blut in eine Dialysierflüssigkeit überführt werden.

Anwendungen bei der Peritonealdialyse

Bei der Peritonealdialyse wird das Blut innerhalb des Körpers gereinigt, wobei die Auskleidung der Bauchhöhle sowohl als Filtrationsmechanismus als auch als Behälter für die Dialyseflüssigkeit dient. Da das Verfahren zu Hause durchgeführt werden kann – manchmal sogar, während der Patient schläft –, zeichnen sich die neuesten Geräte für die ambulante Peritonealdialyse (APD) durch kompaktes Design, leichte Komponenten, geringen Stromverbrauch und niedrige Geräuschentwicklung aus. Die Flüssigkeitskomponenten in diesen Geräten unterliegen jedoch den gleichen Anforderungen an Biokompatibilität und Isolierung wie Hämodialysegeräte, da die transportierten Flüssigkeiten in direktem Kontakt mit dem menschlichen Körper stehen.

Um die Herstellbarkeit von APD-Geräten zu vereinfachen und gleichzeitig die aktuellen MDR- und FDA-Anforderungen zu erfüllen, gibt es modulare, mehrventilige Sammelanschlüsse oder Baugruppen. Sie können auf einer kompakten Platine aufgebaut sein, die ventilseitig montierte pneumatische Anschlüsse, Datenverbindungen und mehrpolige elektrische Anschlüsse enthält. Pneumatisch betätigte Baugruppen sind gewichtssparend und einfach zu installieren und passen ideal in den begrenzten Bauraum eines APD-Tischgeräts. Zugleich funktioniert der Sammelanschluss zuverlässig für die Patienten, indem er den Zufluss und den Abfluss von Dialysat in der Bauchhöhle präzise steuert und die für einen optimalen Dialyseprozess erforderlichen Flüssigkeitsmengen und Drücke aufrechterhält.

Fazit

In jahrzehntelanger Arbeit haben Mediziner, Hersteller von Dialysegeräten und Ausrüstungslieferanten unter den strengen Auflagen der Aufsichtsbehörden zusammengearbeitet, um modernere, sicherere und wirksamere Dialysebehandlungen zu entwickeln und anzubieten – und zwar nicht nur für Kliniken, sondern auch für die häusliche Behandlung. Angesichts der längeren Lebenserwartung und der weltweit alternden Bevölkerung werden der Bedarf und die Bedeutung der Dialysetechnik weiter zunehmen, sodass in den kommenden Jahren neue Behandlungsmöglichkeiten und technische Herausforderungen entstehen werden.

Quelle Text: Luca Raguzzi / Emerson

Quelle Bild: Emerson