GIGV als wichtiger Schritt? Deutscher Interoperabilitätstag appelliert an stärkere Zusammenarbeit

(November 2021) Ende Oktober diskutierten unter dem Motto „Auftakt für Team Interop“ beim sechsten Deutschen Interoperabilitätstags namhafte Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Selbstverwaltung den Weg zu einer interoperablen IT-Vernetzung im Gesundheitswesen.

Vor dem Hintergrund der neuen Gesundheits-IT-Interoperabilitäts-Governance-Verordnung (GIGV) appellierten an eine fächerübergreifende Zusammenarbeit und warben für offene internationale Standards und einheitliche Terminologien, die beim „Community-a-thon“ – praktisch erprobt wurden.

Interoperabilität ist Teamwork

„Gerade im Digitalbereich, in dem es große Ökosysteme gibt, könnte man sich die Frage stellen: Ist Interoperabilität überhaupt noch wichtig? Wir sind der Überzeugung: dies ist mehr denn je der Fall. Denn die Komplexität in unserem Gesundheitswesen ist sehr groß. Da geht es nicht nur darum, dass Systeme zusammenspielen, sondern eben auch der Teamgedanke zählt, also dass Menschen im Gesundheitswesen zusammenarbeiten können, im optimalen Fall auf Basis von technischer Interoperabilität“, erklärte Dr. Samrend Saboor, IHE-Deutschland e. V.

Für Teamgeist sprach sich auch Dr. Sarah J. Becker, Co-Founder und Managing Partner der Institute for Digital Transformation in Healthcare GmbH, in ihrer Keynote „Gemeinsam digitale Transformation gestalten“ aus. Es gehe um Teilhabe, um gegenseitiges Kennen und Anerkennen, um Vertrauen. „In diesem Spielfeld regeln wir, wie wir zusammenarbeiten wollen. Sehr bald werden wir interoperabel in einem Datenraum alle miteinander verbunden sein. Ich möchte auf den Weg geben, dass wir fragen, was es braucht, um jeden Einzelnen mitzunehmen, damit wir einen funktionierenden Datenraum der Gesundheit gestalten können.“

Prof. Dr. med. Jörg Debatin, Chairman des health innovation hub (hih) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nahm Bezug zu der Koordinierungsstelle der gematik, die durch die Regelung des GIGV aktiv werden soll und mit Hilfe verschiedener Institutionen und Expertinnen und Experten Standardisierungsexpertise an einer Art „rundem Tisch“ zusammenbringen möchte: „Das Ziel ist klar definiert: Mehr Gesundheit durch mehr Effizienz, mehr Produktivität und mehr Qualität. Natürlich muss dieses dann münden in konkrete Anwendungen“, so Prof. Debatin. Den Anfang für diese Vorhaben bildet der Messenger-Dienst „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM), die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und die elektronische Patientenakte (ePA).

Brückenschlag für die Zukunft

„Digitalisierung ist für uns eine Brücke in die Zukunft“, so Christian Klose vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). „Bei diesem Brückenbau spielt die Interoperabilität eine entscheidende Rolle als großer entscheidender Pfeiler für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Aktuell sind wir noch zu sehr in kleinen Insellösungen verhaftet. Das müssen wir aufbrechen. Wir müssen Interoperabilität stärker verbreiten bei gleichzeitig stärkerer technischer Ausstattung.“ Dabei gehe es auch darum, weg von Partikularinteressen zu kommen, so Klose. „Wir brauchen viel mehr Miteinander und müssen uns immer vor Augen führen, dass der Patient im Zentrum unseres Handelns steht.“

Wie Interoperabilität auf der technischen Seite weiter voranschreiten kann, verdeutlichte der Themenblock zu Terminologien. Um Interoperabilität gemeinschaftlich zu denken, braucht es eine gemeinsame Sprache. So bedarf es beispielsweise der Implementierung von SNOMED CT, der umfassendsten und wichtigsten medizinischen Terminologie, mit einer deutschsprachigen Übersetzung, sagte Dr. Carina Vorisek von der Charité Berlin. Den Anfang dafür habe das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ermöglicht, durch dessen Initiative SNOMED CT und LOINC in der Bundesrepublik kostenfrei für alle Nutzerinnen und Nutzer verfügbar sind. Außerdem brauche es Standards, wie zum HL7 und FHIR, um den komplexen Datenaustausch im Gesundheitswesen durch ein einheitliches Dateiformat zu erleichtern.

GIGV: Aufbau eines transparenten Wissensnetzes

Thomas Süptitz vom Bundesministerium für Gesundheit ging detaillierter auf die neue GIGV ein. „Die Verordnung, die auf dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) fußt, greift im Wesentlichen drei Punkte auf: zum einen die Koordinierungsstelle Interoperabilität, die über die gematik eingerichtet wird und Bedarfe sowie Anforderungen nach Standardisierung mit internationaler Orientierung identifizieren und realisieren soll. Diese Standards sollen des weiteren von einem interdisziplinären Expertengremium definiert werden. Als dritten Schritt soll das vesta-Verzeichnis weiter entwickelt werden hin zu einer Wissensplattform, die nicht nur als Werkzeug dient, um die verschiedenen Expertenarbeitskreise zusammenzuführen, sondern auch Standards-Leitfäden transparent und verbindlich macht. „Uns ist es wichtig, Standards so zu implementieren, dass wir fit für die Zukunft sind“, betonte Süptitz. Steffen Hennecke von der gematik ergänzte: „Wir haben eine strategische Interoperabilitäts-Roadmap vor uns. Der gesamte Prozess soll transparent und auf Augenhöhe sein. Es geht darum, dass wir gemeinsam Entscheidungen treffen und gemeinsam effizient vorankommen. Dabei wollen wir die gesamte Expertise des deutschen Gesundheitswesens und darüber hinaus einbinden. Das Ergebnis soll eine Wissensplattform sein, bei der jeder nachvollziehen kann, wie die Zusammenhänge sind.“ Weitere Infos dazu am 10. Dezember 2021 beim IOP Summit der gematik.

Bei dem Vorhaben spielen auch die Medizinischen Informationsobjekte (MIOs) eine entscheidende Rolle. Sie sollen, so Kerstin Bieler von der mio42 GmbH der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), als Informationsbausteine von jedem System im Gesundheitswesen interpretierbar sein und dadurch den Austausch und die Datenverarbeitung zwischen Akteurinnen und Akteuren des Gesundheitswesens erleichtern. Damit digitalisierte Inhalte verwertbar und nachvollziehbar sind, müssen sie interoperabel gestaltet werden. So sind die Inhalte der ePA beispielsweise auch MIOs. Für die ePA 2.0 sollen Mutterpass, U-Heft, Impfpass und zahnärztliches Bonusheft eingeführt werden. Die voraussichtliche bundesweite Nutzung der MIOs in der Praxis startet am 1. Januar 2022.

Gemeinsame Veranstalter waren Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V., HL7 Deutschland e. V., Spitzenverband IT-Standards im Gesundheitswesen (SITiG), IHE-Deutschland e. V. und die ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH.

Quelle Text und Bild: ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH