Hauptstadtkongress 2023

(Juni 2023) Beim Hauptstadtkongress 2023 karmen fast 5000 Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Kliniken, Gesundheitswirtschaft, Ärzteschaft, der medizinischen Forschung, Pflege und von Kostenträgern im hub27 der Messe Berlin zusammen.

Mit einer lebhaften Diskussion zu den Chancen und Risiken der Gesundheitsreform startete die Veranstaltung. „Ein Bundesfinanzminister kann nicht entscheiden, wo welche Versorgung stattfindet. So wird jede Krankenhausinsolvenz zu einem Zufallsprodukt“, betonte Klaus Holetschek (CSU), Bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, vor den rund 2.000 Zuschauern der Eröffnungsveranstaltung. „Wo welche Versorgung in Zukunft stattfindet, entscheidet allein das Land und nicht der Bund. Der Bund entscheidet über die Vergütungsreform“, so Holetschek, von daher sei es jetzt wichtig, „um die Details zu ringen und so ein gemeinsames Gesetz mit Perspektive auf den Weg zu bringen.“

 Zugleich betonte Holetschek: „Wenn wir jetzt nicht nochmal zusätzlich Geld ins System geben, wird es bitter für die Menschen in diesem Land, weil wichtige Versorgungsstrukturen zerstört worden sind.“ Angesichts möglicher Klinikschließungen warnte der Minister davor, „einem Haus zu sagen, dass es keine Qualität abliefert.“ Das sei eine „Desavouierung“ der Menschen, die in den Krankenhäusern ihren Dienst tun und täglich ihr Bestes geben. „Wir brauchen diese Menschen, auch das muss eine Botschaft dieses Kongresses sein“, sagte Holetschek.

 

Daneben präsentierte sich die neue Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Dr. Ina Czyborra (SPD), dem Branchenpublikum und überbrachte die Grußworte des Senats von Berlin. Der dreitägige Kongress gilt als jährliche Leitveranstaltung der Gesundheitsbranche. Rund 450 Rednerinnen und Redner sowie 150 Aussteller waren vor Ort.

„Wir werden kontroverse Diskussionen auf dem Kongress führen müssen, weil unser Gesundheitssystem sonst aus dem Ruder läuft“, kündigte Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Karl M. Einhäupl in seiner Begrüßung an. „Dabei sollten wir nie vergessen, dass über allem immer unsere Patientinnen und Patienten stehen“, so Einhäupl. Als weitere Schwerpunkte des HSK nannte er den Fachkräftemangel, die Klinikreform, aber auch die Anreizsysteme sowie die „Sprengkraft“ von Künstlicher Intelligenz (KI), die auch ethische Fragen aufwerfe.

 

In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte Prof. Dr. Edgar Franke (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, die Notwendigkeit einer Strukturreform, wies aber auch auf die „schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen“ durch die Pandemie, durch Lieferengpässe und den Krieg in der Ukraine hin. Es seien bereits 500 Milliarden Euro ausgegeben worden, so dass 2024 unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Schuldenbremse „haushalterisch keine ganz einfache Zeit“ werden würde. Mit Blick auf die ländlichen Regionen und deren Befürchtung, aufgrund von Klinikschließungen dort künftig keine flächendeckende Versorgung gewährleisten zu können, bekräftigte Franke die Notwendigkeit von Strukturreformen. Es gehe nicht darum, Krankenhäuser in ländlichen Regionen flächendeckend zu schließen, sondern die „bedarfsnotwenigen Krankenhäuser zu stärken, so dass man weg von dem ökonomischen Druck kommt.“ Franke rief dazu auf: „Wir kriegen eine Krankenhausreform nur hin, wenn wir alle an einem Strang und in eine Richtung ziehen. Wir brauchen ein zustimmungsfähiges Gesetz, denn nur mit den Ländern ist das möglich.“ Zugleich forderte Franke die Länder auf, „bei den Investitionen etwas nachzulegen.“ Spätestens für 2025 bräuchte es zudem einen Transformations-Fonds für Bund und Länder.

 

Eine stärkere Wahrnehmung der zentralen Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte bei der Versorgung der Bevölkerung forderte Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands. „Während der Pandemie haben wir 95 Prozent der Corona-Erkrankten versorgt und 5 Prozent an Krankenhäuser überwiesen. Wir haben gezeigt, was wir gut können, nämlich steuern.“ Nun müsse es darum gehen, „gemeinsam sektorenverbindende Konzepte zu entwickeln“, sonst werde auch diese Reform scheitern.  „Die Politik redet über uns, aber nicht mit uns“, so Buhlinger-Göpfarth, sie scheine kein Interesse daran zu haben, die Versorgungsexpertise miteinzubeziehen.  

 

Prof. Dr. Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik am Universitätsklinikum Köln und Mitglied der Regierungskommission, machte sich dafür stark, die Anzahl der Leistungsgruppen anzuheben. „Gerade auch für die Pädiatrie sind nur wenige Leistungsgruppen vorgesehen. Hier bedarf es weiterer Entwicklungen.“

 

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sagte: „Die Lage der Krankenhäuser ist brisant, und nun geht es darum, den Transformationsprozess so zu gestalten, dass er seinen Namen verdient.“ Unbestritten sei, dass Fusionen, Umwandlungen und auch die Ambulantisierung gebraucht würden. „Nur dieser Prozess ist schlecht aufgesetzt vom Bund. Es gibt einen riesigen Streit zwischen Bund und Ländern, und wir haben die große Sorge, dass wir am Ende kleinteilige Regelungen bekommen, die ein ähnliches Durchwurschteln bringen, wie wir das in den letzten zehn Jahren erlebt haben. Das darf nicht passieren.“

 

Im Anschluss der Podiumsdiskussion präsentierte Prof. em. Dr. Dr. h.c. Manfred Dietel, Charité Universitätsmedizin Berlin, seinen Impulsvortrag: „Grenzenlose Medizin? Möglichkeiten moderner Molekulardiagnostik und -therapie“. Individuelle Krebsimpfungen könnten bereits in drei bis fünf Jahren massentauglich sein.

 

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. Alena Buyx, sieht auch ethische Fragen verstärkt auf die Gesundheitsbranche zukommen. Auf der einen Seite würden individuelle Behandlungsmöglichkeiten immer gängiger, allerdings häufig noch zu sehr hohen Kosten. Auf der anderen Seite müssten diese hohen Kosten von der gesamten Solidargemeinschaft finanziert werden. „Ein unlösbares Problem“, stellt Buyx fest. Man werde künftig intensiver darüber nachdenken müssen, wie viel für wen künftig ausgegeben werden wolle. Dies müsse man sehr ehrlich und ernsthaft angehen.

„Spielt das deutsche Gesundheitssystem weiterhin in der Champions League?“ wollte Moderator Wolfgang van den Bergh wissen. DAK-Vorstand Andreas Storm: „Wir sind dort keine relevanten Player mehr, sondern liegen eher auf dem letzten oder vorletzten Platz, vor allem bei dem Thema Digitalisierung. Die Situation ist ähnlich wie in der Bundesliga, man hat mal gesagt, der HSV sei unabsteigbar, irgendwann ist er abgestiegen, und wir müssen aufpassen, dass es uns nicht genauso ergeht.“ Storm forderte zudem „Verschachtelungen im Gesundheitswesen“ aufzubrechen und die „Chance auf eine Zeitenwende“ zu nutzen.

„Wir haben nach wie vor eine gute Gesundheitsversorgung in Deutschland, aber wir haben unbestritten Probleme, vor allem mit dem Datenschutz, zu dem in anderen Ländern viel mehr möglich ist als bei uns“, so Dr. Susanne Johna, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer und erste Vorsitzende des Marburger Bund Bundesverbandes. Die Probleme würden allerdings durch den Fachkräftemangel, vor allem in der Pflege, künftig noch zunehmen, so Johna. Eines sei klar: „Eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung geht nur mit einer ausreichenden Anzahl an gut ausgebildetem Personal. Sonst kann es nicht funktionieren.“

Gleich fünf Vorstände der großen Krankenkassen kamen zusammen, um die Reform der GKV zu erörtern. Mit dabei: Jens Martin Hoyer (AOK-Bundesverband), Dr. Jens Baas (Die Techniker), Franz Knieps (BKK Dachverband e.V.), Andreas Storm (DAK-Gesundheit), Prof. Dr. Christoph Straub (BARMER). Ein Fazit: Dass gesetzlich Versicherte künftig mehr zahlen sollten, sei eine fragwürdige Vorgehensweise. Es sei sehr viel Geld im System, aber es werde nicht nach Effizienz geschaut.

Die neuen Ergebnisse des „Krankenhaus Rating Report 2023 – die Revolution?!“, wurden u.a. von Prof. Dr. Boris Augurzky, RWI-Gesundheitsökonom, vorgestellt: „Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser hat sich 2021 wieder verschlechtert.“ Sein Ausblick: 66 Prozent der Klinikbetten waren in Allgemeinkrankenhäusern ausgelastet, bei einer Zielauslastung von 85 Prozent bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde ein Bedarf von 1.165 statt heute 1.697 Standorten. Sebastian Krolop, Mitautor des Reports sagte: „Wir leisten uns in Deutschland auf sinkende Fallzahlen dennoch steigende Personalzahlen in Kliniken, das kann künftig nicht funktionieren.“ Augurzkys Ausblick auf die Krankenhausreform: Irgendwo zwischen 600 und 1800 Kliniken liegt die deutsche Wahrheit. In Ballungsgebieten wird es wohl künftig noch Kunkurrenz geben, auf dem Land eher nicht. Der Fachkräftemangel ist nur durch Zuwachs durch Personal außerhalb der Eu abwendbar. Wir sollten mehr digitale Technologien einsetzen!“

Quelle Text: HSK und Mirjam Bauer

Quelle Bild: Mirjam Bauer