hospitalconcepts 2019: Sind deutsche Krankenhäuser fit für die Zukunft?

(November 2019) Der Fachkongress hospitalconcepts ist ein Branchentreffpunkt für Entscheidungsträger im Krankenhaus wie Ärzte, Pflegekräfte, technische Leiter und Verwaltungsdirektoren. Er richtet sich ebenso an Architekten, Ingenieure, Krankenhausplaner, Medizintechniker und Vertreter von Behörden. Ende Oktober tagte der Kongress in Berlin.

Jedes Jahr lockt das abwechslungsreiche und hochwertige Programm zahlreiche Experten aus dem In- und Ausland an. Zur Einführung referierte Volkswirt Dr. Wulf-Dietrich Leber über die Strukturbereinigung der Krankenhauslandschaft. Die Politik lege ein nie dagewesenes Tempo vor, so der Abteilungsleiter „Krankenhäuser“ beim GKV Spitzenverband in Berlin. In nur 18 Monaten habe Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits 18 Gesetze bzw. Entwürfe vorangebracht. Auch wenn es nicht nur positive Stimmen gebe, habe das niemand bisher so intensiv umgesetzt. Leber kritisierte im geplanten Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG), dass künftig Apps nur durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden und für ein Jahr gültig bleiben. Ohne Prüfung darf dabei der Hersteller die Preise selbst bestimmen. Mit Augenzwinkern empfahl er: „Werden Sie Entwickler, so können Sie reich werden.“ Ferner hob er hervor, digitale Pflegedokumentation sei künftig ein Muss: „Bauen Sie Kameras ein und schalten Sie drumherum ein wenig Künstliche Intelligenz“. Fest steht: Personal wird immer gebraucht, die Personaluntergrenzen sind zum Patientenschutz eingeführt worden.

Umdenken und digitalisieren

Alexander Schmidtke von den Regiomed-Kliniken erläuterte seine Medizinstrategie und fragte: Sind die Fachkräfte ggf. an der falschen Stelle eingesetzt? Nur mit einer adäquaten Strategie lässt sich die unvermeidbare Zentralisierung im Klinikbereich planen: Dabei sollte man patientenzentriert, wettbewerbsfähig, zukunftsgerichtet und bedarfsgerecht denken – begleitet durch Kommunikation, die transparent für die Mitglieder sowie die Öffentlichkeit, objektiv, konsensfähig und verbindlich ist. Sein Tipp: Nicht immer nur in Bettenzahlen denken, ein wirtschaftlich gut geführtes Haus darf auch weniger Betten aufweisen.

In spannenden Podien diskutierten die Referenten unter anderen über die Digitalisierung und neue Arbeitswelten: In der Gesundheit darf man beachten, was andere Branchen bereits vorgemacht haben. Im Bankwesen wurden die Aktenschränke weggenommen, bei Bahn und Flugverkehr gibt es kaum noch Papiertickets… Die Digitalisierung setzt sich unaufhaltbar durch – mit neuen Werkzeugen für Mitarbeiter und agilen Methoden. Die junge Generation wünscht sich Teams und weniger Hierarchien, nutzt moderne Medien und Kommunikationstools, selbst Administration und Arbeitsplätze erfahren einen Wandel. Stehmeetings zeigen laut Studien positive Effekte hinsichtlich Dauer und Kreativität. Auch wenn die Welt sich ändert, wird es eine Zeit lang analoge und digitale Prozesse parallel geben – darauf muss man achtgeben und nichts vergessen. Ganz wichtig dabei ist eine gute Arbeitsatmosphäre. „Schaffen Sie Anreize wie Schwimmbadnutzung für die Mitarbeiter“, so die Empfehlung eines Chefarztes. In schlechter Stimmung entstehen nachweislich fünf Prozent mehr Fehler.

Ein Schwerpunkt lag in diesem Jahr auf Kinderkliniken. So stellte Dr. Jari Petaja aus Finnland die neue Kinderklinik in Helsinki (HUS) vor. Seit der Eröffnung im Jahr 2018 bietet die Klinik eine hohe Funktionalität für Familien – u.a. mit Hybrid-Technologien, Bildschirmen und digitalen Services. Dabei wurde auf höchste Flexibilität auch für den künftigen Wandel geachtet – ästhetisch angereichert mit Kunstobjekten im Innen- und Außenbereich.

Weitere Praxisbeispiele aus deutschen Kliniken zeigten das Charité Geburtshaus oder die Kinderklinik Bethel „mit Erdbeerduft“. Dabei bewiesen die Referenten neben Einigkeit in Richtung moderner und familiengerechter Ausstattung auch andere Meinungen: Nahe Wege zur Geburtsklinik seien in Dresden und in der Lausitz gefragt, Prof. Dr. Wolfgang Henrich, Charité Universitätsmedizin Berlin, argumentierte hingegen: „Jedes Neugeborene ist so wichtig, dass man dafür den Weg in gute Fachkliniken auf sich nehmen sollte. Heute wird das ganze Leben geplant, warum nicht identisch verfahren für das ggf. einzige Kind?“

Kunst, Hygiene, Design Thinking …

Kunst im Krankenhaus stellte ein weiteres Thema dar, zu dem verschiedene Künstler und Gestalter referierten. Healing Architecture, Gestaltung nach Thesen, Ordnung ins Chaos bringen, frische Farben und Bilder für Aufwachräume nutzen … vielfältige Ideen lassen sich gut umsetzen, werten die Kliniken auf und tragen zur Genesung der Patienten bei.

Auch Hygienethemen bleiben ein wichtiges Zukunftsthema, das man unbedingt bei der Krankenhausplanung berücksichtigen soll, so Prof. Alexander S. Kekulé aus Halle. Neben den gefährlichen MRSA- und NRGN-Keimen gehe künftig eine weit größere Gefahr von Pandemiekeimen wie NDM-1 etc. aus, da es gegen diese keine Antibiotika gebe. Problematisch sei, dass die Resistenzfähigkeit sogar weitergegeben werden könne. Infektionsgesetze und Hygiene-Verordnungen der Länder müssen dringen befolgt und ggf. verschärft werden. Durch ein zunehmendes Reiseverhalten entstehe eine immer höhere Durchseuchung der Bevölkerung, die eine verstärkte Besiedlung in den Kliniken nach sich zieht.

Ein völlig anderer Ansatz zur Entwicklung innovativer Lösungen in der Krankenhausplanung zeigte ein Vortrag zum „Design Thinking“. Dieser Perspektivenwechsel hilft dabei, dass Mensch, Wirtschaft sowie Technologie eine Einheit bilden und gemeinsame Schnittmengen finden. Dabei ist eine positive Fehlerkultur ausdrücklich erwünscht, denn Kreativität entfaltet sich in Denkräumen. So werden Mehrwerte und Wertschöpfungsketten entdeckt und vielleicht hilft das Motto des Referenten Andreas Kramp dabei, die nächsten Jahre nicht nur zu überstehen, sondern aktiv weiter zu entwickeln: „Go with a flow“.

Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer