Ist die Volkskrankheit Diabetes präventiv zu lösen?

(April 2017) Auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) im März diskutierten zahlreiche Experten die Folgen der Sparmaßnahmen in der Diabetesbehandlung. Der ökonomische Wettbewerb wirkt sich nicht nur an dieser Stelle auf das Gesundheitssystem aus. Kann Prävention hier helfen?

So warnte unter anderem aufgrund der demographischen Entwicklung die DDG vor künftigen Engpässen bei der qualifizierten Versorgung. „Durch den Wettbewerb in Kliniken stehen viele internistische, diabetologische und endokrinologische Abteilungen auf dem wirtschaftlichen Prüfstand und werden aus finanziellen Gründen geschlossen“, erklärte Dr. Erhard Siegel, Past Präsident der DDG. „Die Diabetologie lebt vom Sprechen mit den Patienten. Wir brauchen kompetente Diabetologen, die multidisziplinär denken und handeln – und zwar stationär und ambulant, gerade weil ältere Patienten nicht nur eine, sondern oft mehrere chronische Erkrankungen aufweisen.“

Da in Deutschland jährlich rund 500.000 Menschen zum ersten Mal die Diagnose „Diabetes mellitus Typ 2“ erhalten, ist die Diskussion um die künftige Versorgung ein zentrales Thema. Inzwischen leidet rund jeder Zehnte an Diabetes, so eine aktuelle Analyse des Versorgungsatlas (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Vor allem im Osten des Landes steigen die Neuerkrankungen vermehrt an – während in Teilen Bayerns die Raten stagnieren.

Aufklärung, Prävention und Screenings

Die Wahrscheinlichkeit, Diabetes zu bekommen, unterschätzen viele Bürger. Dies zeigt eine gemeinsame Studie der Universität Essen, des Helmholtz Zentrums München sowie der DGG (Quelle: KORA-Studie: Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg). Unverständlich, denn Diabetiker haben eine kürzere Lebenserwartung: Nicht nur Herz- und Kreislauferkrankungen, auch Krebs, Leber- und Nierenleiden erhöhen das Sterberisiko (Diabetes Care 2016; 39: 1987).

Eine flächendeckende Prävention und die Aufklärung der Bevölkerung in Richtung eines gesunden Lebensstils mit viel Bewegung und vernünftiger Ernährung sind wichtige Schritte, um den weiteren Anstieg der Diabetes-Neuerkrankungen einzudämmen.

Typ 1 Diabetes

Ein anderes Thema ist der „Typ-1-Diabetes“. Jedes Jahr gibt es etwa 2.300 neue Fälle in Deutschland. Auch diese Zahl hat sich in den letzten zwölf Jahren verdoppelt. Diese Art Diabetes tritt ein, wenn das körpereigene Immunsystem die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Bei Kindern, die ein genetisches Risiko für den Typ-1-Diabetes haben, beginnt dieser Prozess bereits sehr früh. Mit geringem Aufwand kann dieses Risiko jedoch getestet werden. In einem bisher einmaligen Modellprojekt zur Früherkennung von Diabetes wurden an der Dresdner Uniklinik bisher 615 Neugeborene getestet – mit dem Ergebnis, dass circa 3,1 Prozent der Kinder diese Risikogene in sich trugen.

Das Screening zu einer möglichen Früherkennung der Stoffwechselkrankheit wird seit vergangenem September allen Eltern in Sachsen im Rahmen der „Freder1k-Studie“ angeboten. Von diesem Herbst an soll das Modellprojekt auch auf andere Bundesländer sowie europäische Länder ausgeweitet werden (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/72312).

Mit der Erforschung der Risiken beschäftigt sich eine Forschergruppe um Prof. Ezio Bonifacio, Gruppenleiter und Direktor am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). Die T-Zellen in Neugeborenen weisen darauf hin, wer später an Typ 1 Diabetes erkranken wird.

„Unsere Erkenntnisse zu den Zellen dieser sehr jungen Kinder sind faszinierend. Es ist das erste Mal, dass wir so früh im Leben von Kindern, die einen Typ 1 Diabetes entwickeln, einen molekularen Unterschied im Immunsystem präzise feststellen konnten. Diese bemerkenswerten Ergebnisse weisen darauf hin, dass das Immunsystem bereits schon sehr früh falsch programmiert ist, sei es genetisch oder durch Umwelteinflüsse. Unsere Aufgabe ist es nun, herauszufinden, wie wir das Immunsystem umprogrammieren können, bevor es beginnt, gegen die Insulin produzierenden Zellen zu arbeiten. Wir hoffen, dass uns die Freder1k-Studie und unsere Präventionsstudien hierbei helfen werden“, erklärt Prof. Ezio Bonifacio (Quelle: A Divergent Population of Autoantigen-Responsive CD4+ T Cells in Infants Prior to ß Cell Autoimmunity, DOI: 10.1126/scitranslmed.aaf8848).

Forderungen und Angebote der DDG

So fordert der amtierende DDG-Präsident Baptist Gallwitz: „Nicht nur diabetologische Fachabteilungen in den Kliniken, auch die Lehrstühle dürfen nicht abgebaut werden. Zudem benötigt der Nachwuchs attraktive und definierte Karrierewege. Nicht nur die akademische, auch die Ausbildung diabetologischer Assistenzberufe muss vorangebracht werden. In diesem Jahr sollen die „Diabetes-Beraterinnen“ endlich staatlich anerkannt werden. Ferner bietet die DDG Stipendien für Studenten an, um die Diabetesausbildung voranzubringen.“

Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer