Kalkschulter per Ultraschall gezielt aufspüren + Schmerzlinderung

(Juli 2019) Wenn die Schulter in der Nacht schmerzt oder Haare kämmen nahezu unmöglich erscheint – dann kann eine Kalkschulter die Ursache sein. Bei Kalkansammlungen, die starke Schmerzen verursachen, wird oft zur Operation geraten. Eine schonende Alternative ist die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT). Dabei richtet der behandelnde Arzt mit einem Ultraschallgerät energiereiche Stoß- oder Druckwellen gezielt auf die betroffene Schulter. Das hilft auch bei der Diagnosestellung.

Wie die Diagnostik und die Stoßwellentherapie genau funktionieren und warum sie so erfolgsversprechend sind, erläutert Dr. Rainer Berthold, Experte der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e.V. (DEGUM).

Bei einer Kalkschulter bilden sich Kalkansammlungen in einer Sehne in der Schulter. Ursache können mechanische Faktoren sowie lokale Durchblutungs- oder Stoffwechselstörungen sein. „Bewegungen über Kopf, aber auch nach hinten oder zur Seite mit Belastung sind äußerst schmerzhaft“, so beschreibt der stellvertretende DEGUM-Sektionsleiter Chirurgie die Symptome einer Kalkschulter. Die Vielfalt der Beschwerden lässt die Kalkschulter als Chamäleon erscheinen. Wegen der starken Schmerzen können die Patienten den Arm oft kaum noch bewegen und nicht auf der betroffenen Schulter liegen; durch eine Schonhaltung kann es sogar zur Versteifung der Schulter kommen.

Von einer Kalkschulter sind vor allem Menschen zwischen 35 und 50 Jahren betroffen, rund zwei Drittel davon sind Frauen. Die Erkrankung wird meistens erst recht spät diagnostiziert, denn solange die Ablagerungen klein sind, verursachen sie keine Symptome. Es ist davon auszugehen, dass ein asymptomatischer Kalkherd zu etwa 40 Prozent im weiteren Verlauf zu Beschwerden führt. „Wir können die Verdachtsdiagnose, die wir aufgrund des Beschwerdebildes und der Bewegungseinschränkung gewonnen haben, mit Hilfe des Ultraschallverfahrens und einer Röntgenuntersuchung bestätigen“, erklärt Dr. Berthold. „Diese Kombination ist im Vergleich zur Kernspintomographie von hoher Treffsicherheit und sie ist schnell und kostengünstig durchführbar.“

Bei großen Kalkansammlungen wird den Patienten manchmal zur Operation geraten. Eine schonende Alternative dazu kann die Stoßwellentherapie sein. Der Nutzen der Behandlung in Bezug auf eine Besserung der Symptome und Verkleinerung der Kalkdepots ist inzwischen in vielen Studien nachgewiesen. Dabei setzen Ärzte das Ultraschallverfahren nicht nur zur Diagnose, sondern auch zur präziseren Behandlung ein.

Bei der fokussierten extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) werden mit Hilfe der sogenannten Piezoelektrik außerhalb des Körpers Impulse erzeugt, die innerhalb des Körpers wirksam werden. Bei der Therapie der Kalkschulter richtet der Arzt fokussierte Stoßwellen gezielt auf das Kalkdepot in der Schultersehne. Dieser Fokus lässt sich berechnen und das Gerät je nach Position des Kalkdepots adaptieren. Die Stoßwellenwirkung kann dann exakt auf die gewünschte Zone ausrichtet werden. Das Gewebe um die Kalkansammlung – also die Haut, die Muskulatur und das Bindewebe – wird somit nicht beeinträchtigt. „Oft wird angenommen, die Stoßwellen würden das Kalkdepot zerstören. Dies ist aber nicht richtig – vielmehr bewirkt der Druckimpuls die Induktion zellulärer Reaktionen“, erklärt Dr. Berthold. „Die vermehrte Durchblutung mit Gefäßneubildungen im betroffenen Areal führt danach zur Auflösung der Kalkdepots.“

Alternativ gibt es die kostengünstigere radiale Stoßwellentherapie. Sie arbeitet meist mit Druckluft. Durch den Aufschlag eines Projektils auf einen Applikator werden hier die nicht fokussierten Druckwellen erzeugt. Allerdings ist die Effektivität dieses niederenergetischen Verfahrens geringer – die Anzahl der notwendigen Behandlungen damit meist höher.
Die Anwendung gehört für gesetzlich Versicherte zu den individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL); der Patient muss die Kosten selbst tragen. Die meisten privaten Kassen und Beihilfestellen übernehmen die Behandlung. „Ein bis drei Behandlungen, die jeweils etwa zehn Minuten dauern, reichen bei der fokussierten Stoßwelle meistens aus“, versichert Dr. Berthold. „Die Nebenwirkungen sind gering, die Patienten werden durch dieses schonende Verfahren häufig wieder schmerzfrei und in der Schulter beweglich. Die Krankheitsdauer wird verkürzt und eine Operation in der Regel vermeidbar. Die ESWT lässt sich mit vorheriger Lokalisierung des Kalkdepots mittels Sonografie nach meiner Erfahrung exakter durchführen.“

Quelle Text: F. Dehlinger, T. Ambacher. Die Kalkschulter. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date.2014; 439–458 / DEGUM

Quelle Bild: Mirjam Bauer