Krankenhaus-Vergleich 2020: Die finanzielle Kluft zwischen öffentlichen und privaten Kliniken wächst weiter

Notaufnahme München(Oktober 2020) Im Hinblick auf ihre finanzielle Situation driften öffentliche und private  Kliniken in Deutschland immer weiter auseinander. Ein Grund dafür sind unterschiedlich hohe Investitionen. Neben Kostendeckung und Liquidität spielen nachträgliche Rechnungskorrekturen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) eine immer größere Rolle.

So lauten einige der Kernergebnisse der Studie „Krankenhäuser im Vergleich – Kennzahlen 2020“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Deutschland (PwC). Für die aussagekräftige
Benchmark-Analyse hat PwC die Jahresabschlüsse von mehr als 100
deutschen Kliniken in öffentlicher, privater und freigemeinnütziger
Trägerschaft untersucht und die relevantesten Kennzahlen des Jahres
2019 verglichen.
Privatkliniken liegen bei Rentabilität weiter vorne
Die Rentabilität der Kliniken in öffentlicher, freigemeinnütziger und
privater Trägerschaft fiel 2019 insgesamt relativ niedrig aus – wie
bereits im Vorjahr. Obwohl private Kliniken weniger Fördermittel als
die Krankenhäuser anderer Trägerschaften in Anspruch nehmen,
wirtschaften sie am rentabelsten. Das zeigt die um Abschreibungen und
Fördermitteleffekte bereinigte EBITDA-Quote. Sie lag 2019 bei den
privaten Kliniken bei 7,8 Prozent (2018: 7,6 Prozent) – und damit
deutlich vor der Rentabilität anderer Träger. So verzeichneten freigemeinnützige Krankenhäuser einen leichten Rückgang auf 2,6 Prozent (2018: 2,9 Prozent),
öffentliche Kliniken dagegen mit -4,4 Prozent deutliche Einbußen
(2018: 0,5 Prozent). Auch beim Cash-Management haben private Träger
die Nase vorn: Zwar erhöhte sich die Forderungsreichweite leicht,
aber mit einem DSO-Plus (Days Sales Outstanding) um 1,2 auf 46,4 Tage
warten die privaten Kliniken deutlich kürzer auf ihr Geld als die
öffentlichen mit 58,8 Tagen (2018: 58,4).
Auch die Material- und Personalaufwandsquote ist eine wichtige
Kennzahl dafür, wie effizient Krankenhäuser wirtschaften. Mit 92,1
Prozent des Umsatzes ist sie bei den öffentlichen Kliniken immer noch
sehr hoch (2018: 90,5 Prozent). Von 100 Euro bleiben ihnen damit nur
acht Euro für Reparaturen, Finanzierungen und andere Ausgaben. Bei
freigemeinnützigen Einrichtungen beträgt die Quote 87,5 Prozent
(2018: 87 Prozent). Dagegen haushalten private Krankenhäuser am
effizientesten: Bei ihnen lag die Quote bei 84,2 Prozent (2018: 83,6 Prozent).
Für den leichten Anstieg ist insbesondere der anhaltende Pflegekräftemangel verantwortlich, denn zusätzlich beschäftigtes Fremdpersonal gilt buchhalterisch als
Materialaufwand (2019: 27,2 Prozent, 2018: 27,4 Prozent). Michael
Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC
Deutschland, sagt: „Auffallend ist, dass unabhängig von der
Trägerstruktur der Aufwand für Personal- und Material absolut wie
relativ weiter angestiegen ist. Damit stehen alle Kliniken jedes Trägers vor massiven finanziellen Herausforderungen. Eine Revolution der Klinikfinanzierung scheint
unausweichlich.“
MDK-Umsatz-Quote setzt Kliniken unter Druck
Insbesondere die nachträglichen Rechnungskorrekturen durch den
Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) beschäftigen die
Krankenhäuser. Dabei setzt die MDK-Umsatz-Quote die Rückstellungen
ins Verhältnis zu den Erlösen aus Krankenhausleistungen –
letztgenannte machen mit durchschnittlich 84,5 Prozent immer noch den
größten Teil des Gesamtumsatzes der deutschen Krankenhäuser aus. Die
Quote beeinflusst das Jahresergebnis: Während die Kliniken in
Deutschland im Jahr 2017 noch nachträgliche
Erlöskürzungen von 2,1 Prozent befürchteten, stieg die Quote bis Ende
2019 auf 2,4 Prozent. Private Krankenhäuser rechnen pro Fall mit
einem Rückstellungsbetrag von 104,74 Euro, freigemeinnützige mit
111,81 Euro und öffentliche Kliniken mit 86,64 Euro.
Fördermittel fließen vor allem an öffentliche Kliniken
Ein weiteres Kernergebnis: Von allen Trägern erhalten öffentliche
Krankenhäuser den größten Fördermittelanteil. Bei ihnen liegt die
Fördermittelquote bei 67 Prozent. Mit 62 Prozent deutlich weniger
erhalten dagegen freigemeinnützige Kliniken. Die Quote bei privaten
Krankenhäusern liegt sogar nur bei 49 Prozent.
Bei Investitionen setzen private Krankenhäuser vor allem auf eigene
Mittel: Mit 15,5 Prozent weisen sie die höchste Investitionsquote im
Vergleich zu öffentlichen (13,5 Prozent) und freigemeinnützigen
Einrichtungen (12,7 Prozent) auf. Private Kliniken wollen vor allem
Zeitfenster nutzen und nicht auf Fördermittel warten, so die
Studienautoren. Corinna Friedl, Director Assurance Healthcare
Services bei PwC Deutschland, sagt: „Die öffentlichen Kliniken kommen
mit einer niedrigen Eigenkapitalquote aus. Das liegt an der kommunalen Trägerschaft, die bei Bedarf mit Eigenkapitalerhöhungen, Entschuldungsplänen oder
Investitionszuschüssen einspringt.“
Beim Case-Mix-Index (CMI) – ein Indikator für die durchschnittliche
Schwere der behandelten Krankenhausfälle und dem damit verbundenen
relativen ökonomischen Ressourcenaufwand – fällt auf, dass die
privaten Häuser deutlich bessere Werte, also eine höhere
Produktivität, erreichen als freigemeinnützige und öffentliche. „Man
könnte vermuten, dass die Pflegekräfte dort mehr ausgelastet werden.
Angesichts des Fachkräftemangels ist es aber wahrscheinlicher, dass
die privaten Kliniken bessere Strukturen haben, die effizienteres Arbeiten erlauben“, kommentiert PwC-Expertin Corinna Friedl. PwC-Gesundheitsexperte Michael Burkhart
ergänzt: „Praktisch substituiert eine moderne Bau- und Dateninfrastruktur menschliche Tätigkeiten. Dadurch werden aber keine Arbeitsplätze abgebaut, sondern der Fachkräftemangel wird etwas gemildert.“
Die Benchmark-Analyse illustriert zudem die unterschiedlichen
finanziellen Ausgangslagen der Kliniken, von der aus sie in die
Coronavirus-Pandemie gestartet sind. Auf der Basis dieser Kennzahlen
ist es nachvollziehbar, dass die Bundesregierung das
COVID19-Krankenhaus-Entlastungsgesetz auf den Weg gebracht hat. Das
Gesetz sieht unter anderem vor, das Zahlungsziel der Kostenträger auf
fünf Tage zu verkürzen. „Zu befürchten ist allerdings, dass die Lücke
in den Liquiditätsplänen der Kliniken umso größer wird, sollte das Zahlungsziel wieder auf das Ausgangsniveau verlängert werden“, resümiert Michael Burkhart.
Quelle Text: PwC
Quelle Bild: Mirjam Bauer