Künstliche Intelligenz und Big Data eröffnen spannende dynamische Entwicklungen der Medizinphysik in Strahlentherapie und Diagnostik

(November 2019) Die 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) brachte fast 900 Experten in Stuttgart zusammen. Wie die Tagungspräsidenten Dr.-Ing. habil. Christian Gromoll, Marienhospital Stuttgart, Abteilung Medizinische Physik und  Dipl.-Ing. Nils Wegner, Klinikum Stuttgart, Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie/MVZ Medizinische Physik betonten, gelte das unermüdliche Engagement der Fachgesellschaft seit 50 Jahren der Erforschung und Entwicklung, der Anwendung und dem Fortschritt physikalischer und technischer Methoden in der Medizin in ihrer Dynamik und ihrem gesamten Potenzial.

Vier spannende Kongresstage lang gab es als besondere Highlights Sondersitzungen zum 50-jährigen Jubiläum der DGMP. Neben der Rückschau wurde ein erhellender Blick in die Zukunft der Medizinischen Physik geworfen und Neues zu  Erforschung, Entwicklung, Anwendung und Fortschritt physikalischer und technischer Methoden in der Medizin vorgestellt. Besonders spannend war der Festvortrag von Herrn Professor Dr. Erich Reinhardt, dem ersten Vorsitzenden der Europäischen Metropolregion Nürnberg Medical Valley, zur künftigen Entwicklung der Medizinischen Physik. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit hochrangigen Vertretern aller befreundeten nationalen und internationalen Fachgesellschaften wurden die Zukunftsperspektiven der Medizinischen Physik diskutiert, wobei auch das Auditorium durch die Möglichkeit der Interaktion mittels einer App einbezogen wurde.
Künstliche Intelligenz in Strahlentherapie und Diagnostik
Das breite Spektrum der Medizinischen Physik bot aktuelle Ansatzpunkte für einen spannenden fachlichen Austausch. Wichtige Schwerpunkte und besondere Akzente des diesjährigen Kongresses lagen im zunehmenden Einsatz von Hybridgeräten, in der immer stärkeren Digitalisierung in der Medizin sowie in den aktuellen Themen Big Data und dem zunehmenden Einzug von Künstlicher Intelligenz (KI) in Strahlentherapie und Diagnostik. Zu diesen aktuellen Themen gab es überaus spannende Diskussionen mit Fragen wie: Welchen Einfluss hat die KI auf das Arbeitsumfeld in der Medizinphysik? Inwiefern wird sich die Arbeit von Medizinphysikern verändern? „KI wird dazu beitragen, dass sowohl Ärzte als auch Medizinphysiker von Routinetätigkeiten, die gewissen Mustern oder Algorithmen folgen, entlastet werden können“, zeigte sich Christian Gromoll überzeugt. Auch Nils Wegner betonte: „Dem Medizinphysiker kommt bei der Implementierung dieser neuen Technology, bei der Evaluierung der verschiedenen Möglichkeiten, insbesondere aber auch bei der Ergebnisüberwachung eine entscheidende Rolle zu. Es wird sicherlich zu einer Veränderung, aber nicht zur Ablösung des Berufsbildes kommen. Entscheidend wird sein, den Digitalisierungsprozess gestaltend zu begleiten und Zukunftsängsten, die auch in der Community vorhanden sind, möglichst frühzeitig zu begegnen.“
Eins der Topthemen: das neue Strahlenschutzrecht
Das neue Strahlenschutzrecht war ein wichtiges Diskussionsthema. Beide Kongresspräsidenten wiesen darauf hin, dass bei der weiteren Senkung der Strahlenbelastung bei medizinischen Untersuchungen für Patienten und Personal insbesondere Medizinphysiker gefordert sind. „Im Bereich der radiologischen Diagnostik ist im neuen Strahlenschutzrecht klar geregelt, dass der Medizinphysiker für die Dosimetrie verantwortlich ist“, betonte Christian Gromoll. „Neben den traditionellen Gebieten Strahlentherapie und Nuklearmedizin kommt somit die radiologische Diagnostik als neues Aufgabengebiet für den Medizinphysiker in der Klinik hinzu. Neben der Dosis steht hier insbesondere die Dosisoptimierung und  -reduktion im Vordergrund des Handelns.“ Nils Wegner wies darauf hin, dass der Medizinphysiker auch schon bisher – neben Arzt und MTRA – einer der Hauptakteure war, wenn es darum ging, die Strahlenbelastung bei medizinischen Untersuchungen für Patienten und Personal zu senken: „Das neue Strahlenschutzrecht, welches die Umsetzung einer neuen Europäischen Richtlinie in deutsches Recht bedeutet, hat hierbei die Rolle des Medizinphysikers als Experten explizit nochmals hervorgehoben.“ Das zeige sich unter anderem darin, dass er bei Untersuchungen, die mit einer höheren Strahlenbelastung verbunden sein können, nun zwingend bei der Optimierung und Überwachung dieser Untersuchungen hinzugezogen werden muss: „Hierbei kommen insbesondere die spezifischen Kenntnisse über den Zusammenhang von Dosis und Bildqualität, aber auch weitere physikalische und spezielle Strahlenschutzkenntnisse zum Tragen.“
Die gut besuchten Fort- und Weiterbildungsangebote sowie Hands-on Workshops zur Optimierung der bildgebenden Verfahren in Radiologie, Strahlentherapie, Nuklearmedizin und Audiologie verdeutlichten die rasante Weiterentwicklung der Medizinischen Physik. „Uns war es wichtig, neben dem wissenschaftlichen Programm auch durch Kollegen selbst organisierte Fachsitzungen und praxisorientierte Angebote in Form von Workshops zu integrieren“, betonten beide Kongresspräsidenten. So konnten im APT-Workshop zum Thema Medizinphysikexperte in der Radiologie, aber auch in den zugehörigen Refresher-Kursen gezielt den aktuellen Entwicklungen Rechnung getragen werden. Indem für die Durchführung auch interessierte Ärzte gewonnen werden konnten, eröffneten sich Möglichkeiten interdisziplinären Austauschs mit neuen Diskussionsperspektiven.
Nachwuchsförderung: Forum Junge Medizin Physik
Ein großes Thema der DGMP war wieder die Nachwuchsförderung. Mit selbst gestalteten Sessions beteiligten sich Nachwuchswissenschaftler insbesondere aus den Forschungsgruppen sowie den Studiengängen zur Medizinischen Physik in Deutschland aktiv am Kongress, indem die wissenschaftliche Fachsitzungen, Posterbegehungen und Plenarvorträge durch das Forum Junge Medizinphysik mit einem eigenen Programm ergänzt wurden. Von der DGMP wurde ein spezielles Mentoring-Programm zur Netzwerkbildung initiiert, um junge Mitglieder gezielt zu fördern und ihnen die Möglichkeit zu geben, von der Erfahrung berufstätiger Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker zu profitieren und sich zu vernetzen. Vielen jungen Wissenschaftlern diente die Tagung als Plattform, um sich mit der Medizinischen Physik und der Fachgesellschaft vertraut zu machen. Schon bei der Auftaktwanderung nutzen sie die Möglichkeit, sich untereinander besser kennenzulernen. In den Sitzungen konnten sie die Experten der jeweiligen Fachgebiete hautnah erleben, sich mit ihnen austauschen und erste Forschungskooperationen knüpfen. Der Schülertag wurde komplett durch die Junge Medizinphysik organisiert und bestritten, bot einen guten Einblick in das Fachgebiet und informierte die Schüler über spätere Berufsfelder und Karrierechancen.
Der nächste Kongress findet vom 09. bis 12. September 2020 im Congress Center Leipzig statt.
Quelle Text: DGMP
Quelle Bild: Conventus