Medizinforscher und Datenschützer fordern Bund-Länder-Staatsvertrag

(Oktober 2017) Im Januar 2018 startet die vierjährige Aufbau- und Vernetzungsphase der Medizininformatik-Initiative des BMBF; im Mai 2018 tritt das Gesetz zur Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an die neue EU-Datenschutzgrundverordnung in Kraft. Vor diesem Hintergrund offenbart sich, wie problematisch der (aktuelle und künftige) nationale Rechtsrahmen mit Blick auf die Nutzung personenbezogener medizinischer Daten für Forschungszwecke ist.

.In einer gemeinsamen Initiative legen der Medizininformatiker Prof. Dr. Michael Krawczak undder Datenschützer Dr. Thilo Weichert einen Vorschlag für die Schaffung einer „modernen Dateninfrastruktur für die medizinische Forschung in Deutschland“ vor. Ziel ihrer Initiative ist es, die unübersichtlichen, teilweise widersprüchlichen und nicht praktikablen Strukturen und Regelungen der Datennutzung in der medizinischen Forschung in Deutschland durch ein klares und einheitliches Verfahren zu ersetzen, das den Anforderungen an den Datenschutz ebenso genügt wie den Erwartungenund Bedürfnissen der Wissenschaft. Dadurch soll das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ebenso gestärkt werden wie die Konkurrenzfähigkeit des Medizin-und Wissenschaftsstandorts Deutschland.

Weichert und Krawczak richten an Bund und Länder die Bitte, die Rahmenbedingungen für die Verwendung personenbezogener Daten für die medizinische Forschung über einen Staatsvertrag zu vereinheitlichen. So könnten praktikable Voraussetzungen für Krankheitsregister, Biobanken, Forschungsverbünde und weitere überregionale Projekte entstehen,wie sie derzeit u.a. durch die Medizininformatik-Initiative der Bundesregierung mit 150 Millionen Euro gefördert werden. Grundidee des Vorstoßes von Weichert und Krawczak ist die rechtliche Aufwertung der allenthalben etablierten oder neu entstehenden, sogenannten „Use and Access Committees“ von Forschungsverbünden zu Melde-und Genehmigungsstellen. Der Vorschlag knüpft an die europäische Datenschutz-Grundverordnung an, die vom 25. Mai 2018 an direkt anwendbar sein wird. Ein zentrales Anliegen ist dabei die Verbesserung der Forschungstransparenz durch den Betrieb einer Internet-Plattform, auf der gemeldete und genehmigte Medizinforschungsprojekte dargestellt und Außenstehende über deren Fortgang informiert werden. Der Vorschlag entstand in einem umfassenden Dialog mit Medizin-und Forschungseinrichtungen, Datenschützern und Politik.

Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise: „Die Hoffnung, dass nach Inkrafttreten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung eine Bereinigung der Datenschutzklauseln imForschungsbereich stattfinden würde, erwies sich bisher als falsch. Insbesondere im sensitiven medizinischen Bereich, wo einrichtungsübergreifend und international gearbeitet werden muss, wird so weiterhin der Datenschutz oft übergangen; wichtige Projektewerden durch bürokratisches Kleinklein behindert. Wir wollen hohe Datenschutzstandards, die aber einfach durch die Forschenden umzusetzen sind. Eine solche Regulierung ist überfällig.“

Michael Krawczak vom Institut für Medizinische Informatik und Statistik der Universität Kiel: „Medizinische Forschung dient durch die Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse maßgeblich der besseren Versorgung der Patienten. Um jedoch international konkurrenzfähig zu sein, benötigt die Forschung einheitliche Verfahrenund Standards. Dem stehen die aktuellen Regelungen und Strukturen entgegen. Die Bundesregierung kann diesen Missstand zu Beginn der neuen Legislaturperiode in einer gemeinsamen Anstrengung mit den Ländern abstellen. Wir sind uns sicher, dass Datenschützerund Medizinforscher sie dabei gleichermaßen unterstützen werden. Gerade die aktuelle Medizininformatik-Initiative der Bundesregierung würde von einem solchen Schritterheblich profitieren und den für einen langfristigen Erfolg notwendigen rechtlichen Rückhalt bekommen.“

Die konkreten Vorschläge der Initiatoren sowie deren Begründung finden Sie hier. Eine kurze Beschreibung der Initiative und deren bisheriger Verlauf mit Reaktionen weiterer Einrichtungen finden Sie hier:

Quelle Text: Institut für Medizinische Informatik und Statistik und Netzwerk Datenschutzexpertise, Kiel

Quelle Bild: Quelle Fotolia – stockWERK