Medizinischer Fortschritt basiert auf Daten

(September 2022) Unter dem Motto „Medizin im Wandel – Präziser, Integrativer, Nachhaltiger“ fand die digitale Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) und der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) statt.

Sie diskutierten Chancen und Herausforderungen auf dem Gebiet der Medical Data Science, denn der demographische, soziologische und technologische Wandel verlangt nach neuen Wegen, um ärztliches Handeln besser auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zuzuschneiden. Technische und methodische Neu- und Weiterentwicklungen aus dem disziplinenübergreifenden Fachgebiet der Medical Data Sciences helfen dabei, die hierfür erforderlichen Daten, Informationen und Wissensinhalte besser zu vernetzen und zu nutzen. So kann Forschung dazu beitragen, Medizin im Wandel effizient – und damit nachhaltig – zu gestalten.

Die Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland befassten sich während der fünftägigen Konferenz  mit den Fragen der Verfügbarkeit und Nutzung sowie des Schutzes und der Sicherheit von Gesundheitsdaten. Außerdem wurden die ethischen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen der Forschungsnutzung von Gesundheitsdaten beleuchtet. Dazu diente insbesondere die Paneldiskussion „Gesundheitsdatenarchitektur für Versorgung und Forschung: Wie wächst zusammen, was zusammengehört?“ unter Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern großer Forschungsinfrastrukturinitiativen. „Das Ziel großer Initiativen wie der Medizininformatik-Initiative (MII) und des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) ist es, Gesundheitsdaten aus unterschiedlichen Quellen besser zugänglich und für die Forschung nutzbar zu machten“, erläuterte TMF-Geschäftsführer Sebastian C. Semler. Auf politischer Ebene soll dieses Anliegen in der laufenden Legislaturperiode u. a. mit der Schaffung eines Forschungsdatengesetzes und eines Gesundheitsdatennutzungsgesetzes vorangebracht werden.

Kooperationen zwischen verschiedenen Einrichtungen und Infrastrukturen der Gesundheitsforschung könnten künftig die Nutzung möglicher Synergien befördern, indem sie Expertisen bündeln und die Entwicklung neuer Methoden und Technologien unterstützen. Ein Kulturwandel in der Wissenschaft ist nötig, nicht nur um solche Kooperationen Realität werden zu lassen, sondern auch um eine echte „Kultur des Datenteilens“ zu schaffen.

In institutions- und länderübergreifenden Forschungsvorhaben wird der Datenschutz oft zu einer Herausforderung. Das nationale und europäische Datenschutzrecht macht die Nutzung personenbezogener Daten für Forschungszwecke zu einer komplexen Angelegenheit. „Im Datenschutz besteht eine enorme Diskrepanz zwischen juristischer Auffassung und alltäglicher wissenschaftlicher Praxis“, erläuterte Prof. Georg Schmidt, Arbeit­skreis Medi­zinis­cher Ethikkom­mis­sio­nen (AKEK) in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land e.V. „Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen der EU-Datenschutzgrundverordnung durch die Bundes- und Landesdatenschutzbehörden sowie die lokalen Datenschutzbeauftragten – mit einer Tendenz zur engen Auslegung des gesetzlichen Rahmens.“ Deshalb empfiehlt Prof. Dr. Sebastian Graf von Kielmansegg, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Datennutzung für die medizinische Forschung konsequenter auszuschöpfen. Prof. Dr. Klaus Pommerening, langjähriger Sprecher der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz, wünscht sich, dass existierende Datenschutzkonzepte umfassend angepasst, weiterentwickelt und erweitert werden, um den Anforderungen der Digitalisierung in der Medizin Rechnung zu tragen. „Wir werden Therapien nur dann verbessern, wenn wir den bereits vorhandenen und noch entstehenden Schatz medizinischer Daten konsequent nutzen. Überbordender Datenschutz kostet nicht nur Geld, sondern auch Leben. Was anderswo in der EU, wie in Estland und Dänemark, in einem identischen EU-Rechtsrahmen möglich ist, muss auch in Schleswig-Holstein möglich sein“, forderte Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein.

Hannelore Loskill, BAG Selbsthilfe, forderte mehr Aufklärung für Patientinnen und Patienten über die Nutzung ihrer Daten für medizinische Forschung. „Forschung ohne Patienten ist nicht möglich!“, so Loskill. Patientinnen und Patienten seien oft bereit dazu, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, aber man muss sie über Ziele und Fortgang der Forschung regelmäßig und umfassend informieren.

Quelle Text: TMF

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