Medizinrecht im Kontext des E-Health-Gesetzes und darüber hinaus …

(November 2017) Zum Medizinrechtssymposium der Dresden International University (DIU) kamen Ende September mehr als 100 Experten zusammen, um Trends und Rechtsprechung im interdisziplinären Kontext zu diskutieren. Zur Zielgruppe zählten Juristen, Ärzte, Kaufleute und ITler, sofern sie mit Medizin und Recht zu tun haben. Auch ehemalige Absolventen des Medizinrechtstudienganges an der DIU nutzen die Veranstaltung als Fortbildung.

Eines der Hauptthemen war das Medizinische Versorgungszentrum (MZV) aus Sicht des Bundessozialgerichts, weiterhin standen Beiträge zur Patientenverfügung, die Fortführung des E-Health-Gesetzes, Rechtsthemen der Arzneimittelversorgung, qualitätsabhängige Zu- und Abschläge in der Krankenhausfinanzierung sowie mögliche Reformen im Arzthaftungsrecht auf der Agenda.

Das MVZ war ursprünglich als zentrale Innovation in der ambulanten Versorgung geplant, so Prof. Dr. Ulrich Wenner, Vorsitzender Richter des Bundessozialgerichtes. Doch es gibt diverse rechtliche Fallstricke und Grauzonen sowie „nicht verheilte Brüche“, also Unschärfen, bei der Implementierung in den Regelungen vertragsärztlicher Versorgung. Im Publikum kam die Frage auf, ob denn ein Patient ein Labor frei wählen könne … ferner wurde die Zulässigkeit durch Universitäten gegründeter MVZs diskutiert. Die ursprüngliche Idee zur Gründung der MVZs, die eine Auflösung der Zwangsverbindung zwischen ambulantem Vertragsarzt und Selbstständigkeit sowie unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bringen sollten, spielt in der Realität keine Rolle.

Dr. Susanne Heller, Uniklinikum Dresden, betonte, 20 Prozent aller Patientenverfügungen entstünden auf Wunsch von Angehörigen, nur 5 Prozent durch ärztliche Beratung. Uneinigkeit herrsche darüber, ob das Schreiben im frühen „gesunden „Leben zweckdienlich ist. Klärungsbedarf herrscht in diesem Kontext bei der Vergütung beratender Ärzte. Laut Landesärztekammer soll die Verfügung über das Leben hinweg entwickelt, Bevollmächtigte sollten zur Beratung und Aufklärung integriert werden. Prof. Dr. Bernd-Rüdiger Kern, wissenschaftlicher Leiter des Studiengangs Medizinrecht an der DIU, ergänzte, die ärztliche Aufklärung vor Verfassen einer Patientenverfügung sei in Deutschland zwar nicht vorgegeben, in Österreich aber vorgesehen.

Spannend erwies sich die Podiumsdiskussion: Unter der Fragestellung „Quo vadis E-Health?“ hob Dr. med. Franz Joseph Bartmann, Ärztekammer Schleswig-Holstein, hervor, E-Health werde sich durchsetzen, sobald der Leidensdruck im Gesundheitswesen bezüglich Effizienz etc. hoch genug sei. Dipl.-Kfm. Dr. Nicolas Krämer, Städtische Kliniken Neuss, erklärte (Video): „Das Gesundheitswesen steht vor einem Paradigmenwechsel. Big Data und künstliche Intelligenz werden die Ärzte künftig unterstützen und sich positiv auf die Lebenserwartung auswirken. In wenigen Jahren ist ein Genom für unter 100 Euro bestimmbar. Diese neuen Zukunftstrends dürfen durch fehlende IT-Sicherheit nicht in falsche Bahnen gelenkt werden“.

Noch habe der Fortschritt in E-Health und Digitalem Wandel zwar die Dynamik einer Schnecke, doch vielleicht werde dies durch die kommende Generation biologisch gelöst. Die künftige ärztliche Versorgung verändert sich jedoch grundsätzlich, möglicherweise wird der Arzt wird zu einem Lotsen im digitalen Gesundheitsmarkt.

Die Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch die Apotheken bleibt kontrovers. Lutz Tisch, Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), behauptet, man brauche den Versandhandel definitiv nicht, bestehende Lösungen reichten aus. Das Auditorium fand, dies sollte der Markt entscheiden, der Versand finde ja statt. Fest steht: Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt kontinuierlich, und seit dem Urteil des Europäischen Gerichthofes zahlen deutsche Krankenkassen an Versandhändler in Europa. Die Klage der Inländer gegen das Versandverbot ist unbeschieden, doch wie können immobile Patienten ohne Versand erreicht werden? Hier sind Alternativen zum Ladengeschäft gefordert. Ingmar Wegner, Medipolis-Gruppe, hofft, die konträren Positionen des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) und der ABDA durch gleiche Rahmenbedingungen zu lösen, dabei solle der Versandhandel erlaubt werden.

Im Themenblock „Qualitätsabhängige Zu- bzw. Abschläge in der Krankenhausfinanzierung“ stellte Dr. Christof Veit, Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), fest, der Zusatzaufwand der Krankenhäuser im Kontext Qualität durch Bürokratie sei bekannt und wenig förderlich. Die Festlegung der Höhe sowie die nähere Ausgestaltung der Zu- und Abschläge durch das IQTIG erfolge bis 30. Juni 2018.

Laut Rechtsanwalt Dr. Thomas Vollmöller stellt das Nebeneinander von Beurteilungskriterien eine große Herausforderung für die Krankenhäuser dar, wie das Beispiel Tavi (Herzklappen-Operation) mit Trennung der Kardiologie und Chirurgie zeige. Planungsrelevante Indikatoren seien ausschließbar, doch wegen der Zu- und Abschläge trotzdem verfassungsrechtlich relevant. Wolf Boës, Rechtsanwalt der Helios Kliniken, ergänzte, die unterschiedliche Aussagen der Qualitätsbeurteilungen mit Vor- und Nachteilen verlangten Pflicht und Kür von den Kliniken. Die Qualitätsindikatoren beginnen zwar, sich durchzusetzen, doch auch die Dokumentation sei relevant, nicht allein die tatsächliche klinische Qualität. Erst durch Vergütungsdruck und monetäre Relevanz beginnen die Verantwortlichen, sich vermehrt damit auseinanderzusetzen. Doch wie lässt sich verhindern, dass am Ende der Ehrliche der Dumme ist?

Zum Arzthaftungsrecht und zur Schadensprävention im Krankenhaus lieferte Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Bruns Beispiele für vorhersehbare Klinik-Schadensfälle durch eine nicht ausreichende Personaldecke (Organisationsverschulden). Er riet zur Nichtleistung, sie stehe besser da als eine Schlechtleistung. Gefahren drohen vor allem freitags im Januar, März und Juli – und nach 20 Berufsjahren, wenn sich die Routine eingeschlichen habe, erläuterte Leopold-Michael Marzi, Leiter Vorfallsabwicklung und Prävention am AKH Wien.

Selbst schwerste schuldhafte Schäden werden nicht kompensiert, soweit die Aufklärung korrekt erfolgte und keine „Schuld“ nachweisbar ist. Dass Patienten den Klageweg beschreiten müssen, sei nachteilig, so Jens Oeken, Klinikum Chemnitz.

„Während dieser umfangreichen News und Diskussionen entstand auch die Anregung, im nächsten Jahr das ‚Recht aus Nichtwissen’ als Tagungspunkt aufzunehmen – wir sind offen für weitere Themenvorschläge“, so Prof. Dr. Bernd-Rüdiger Kern.

Quelle Text, Video und Foto: Mirjam Bauer und Michael Reiter