Mit Technik gegen Corona: kostengünstiges Beatmungsgerät als Notersatz

(Juni 2020) Die Corona-Pandemie beschäftigt die Welt seit Anfang des Jahres. Bei schweren Verläufen sollen Patient*innen beatmet werden – eine Herausforderung für die Gesundheitssysteme, die dafür nicht ausgelegt sind. Ende März hat sich an der Fak. Ingenieurwissenschaften der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) ein Forschungsteam zusammengeschlossen, um einfache Beatmungsgeräte für den Notfall zu entwickeln.

Anstoß gab eine Anfrage des Krisenstabs der Stadt Leipzig, kurz darauf startete die Forschungsgruppe. Aktuell sind 25 Personen an dem Projekt beteiligt, darunter Spezialisten für Mechatronik, Sensorik, Konstruktion, Fertigungstechnik, Software und Regelungstechnik. Innerhalb von drei Wochen entstand der erste Prototyp, seit Mitte Mai ist die zweite, optimierte Version einsatzbereit. Das Gerät kann Patientinnen und Patienten vollautomatisch beatmen; bei kritischen Situationen ertönt ein Alarm. Über ein Tablet können mehrere Geräte überwacht sowie Atemfrequenz und Beatmungsdruck visualisiert werden. „Unser Gerät soll günstig und schnell herstellbar sein und als Notlösung dienen, falls in einer Klinik alle professionellen Geräte ausgelastet sind. Denn aktuell werden auf der ganzen Welt mehr Beatmungsgeräte benötigt, als auf absehbare Zeit produziert werden können. Natürlich ist der Funktionsumfang nicht vergleichbar mit dem eines professionellen Geräts. Auch handelt es sich nicht um ein zertifiziertes Medizinprodukt. Aber unser Gerät könnte helfen, kurzfristige Engpässe auszugleichen“, sagt Prof. Fritz Peter Schulze, Koordinator des Forschungsteams.

Medizinisch wird das HTWK-Team durch Prof. Sven Bercker, stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Uniklinik Leipzig beraten. Er ordnet ein: „Beatmungsgeräte, die heute für schwer kranke Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen eingesetzt werden, sind hoch entwickelte Geräte mit einer Reihe komplexer Funktionen, die die Atmung individuell unterstützen können. Personen mit Lungenerkrankungen – also auch Covid-19-Erkrankte – sind unter Umständen auf solche Geräte angewiesen. Einfache Notfallgeräte wie das der HTWK Leipzig können das nicht leisten. Dazu kommt, dass der Einsatz von Medizinprodukten am Menschen einer Reihe gesetzlicher Voraussetzungen bedarf, die bei dieser Entwicklung nicht erfüllt sind. Der Einsatz dieses Gerätes ist also nur vorstellbar, wenn es im absoluten Notfall keine anderen technischen Möglichkeiten mehr gibt, um einem Menschen das Leben zu retten.“

Das Team der HTWK Leipzig kooperiert außerdem mit dem Bio-Nano-Anwendungslabor des Fraunhofer IZI und des Fraunhofer IKTS und steht im Austausch mit anderen Forschungsgruppen in Leipzig, Aachen, Marburg und Zwickau, die parallel an Beatmungsgeräten arbeiten bzw. bereits Ergebnisse veröffentlicht haben. „Wir sind froh, wenn unser Gerät niemals zum Einsatz kommen muss“, sagt Dr. Hans-Martin Dörfler von der HTWK Leipzig. „Doch im Moment weiß niemand, wie sich die Pandemie entwickelt. Deshalb wollen wir die Bauanleitung frei im Internet veröffentlichen, sodass Menschen auf der ganzen Welt das Gerät nutzen oder weiterentwickeln können. Sollte es eine zweite Welle geben oder sich die Situation in anderen Ländern weiter zuspitzen, könnte unsere Entwicklung so im Kampf gegen Covid-19 helfen.“

Clemens Schülke, Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung der Stadt Leipzig: „Ich bin beeindruckt, wie schnell die Leipziger Wissenschaftscommunity Lösungen entwickelt hat. Aktuell sind unsere Kliniken in keiner Notlage. Aber falls sich das ändern sollte, sind wir gut vorbereitet. Im nächsten Schritt suchen wir deshalb Partner in Leipzig, um ein solches Gerät in Stückzahlen produzieren zu lassen.“ Mehr Informationen unter https://www.htwk-leipzig.de/beat2020

Quelle Text und Bild: HTWK Leipzig