Roland-Berger-Studie: Digitaler Gesundheitsmarkt in Europa soll bis 2025 auf 232 Milliarden Euro anwachsen

(Oktober 2020) Vor der weltweiten Covid-19-Pandemie standen viele Patienten dem Arztbesuch per Videochat oder der Datenübermittlung an Versorger eher kritisch gegenüber. Durch den täglichen Umgang mit digitalen Dienstleistungen und Produkten ändert sich diese Ausgangslage. Damit nimmt der digitale Gesundheitsmarkt weiter an Fahrt auf. Das zeigt die neue Roland Berger-Studie „Future of Health 2 – The rise of healthcare platforms“, für die rund 500 Experten weltweit befragt wurden.

So hat sich im Vergleich zur letztjährigen Studie das erwartete
Wachstum des digitalen Gesundheitsmarktes in Europa bis 2025 auf 232
Milliarden Euro erhöht, ein Plus von fast 50 Prozent. Für Deutschland
liegt die Prognose bei 57 Milliarden Euro. Die Experten gehen davon
aus, dass die Pandemie den Digitalisierungsprozess der Branche
insgesamt um rund zwei Jahre beschleunigt. „Die Ergebnisse unserer
Befragung übertreffen die des letzten Jahres deutlich“, stellt
Karsten Neumann, Partner bei Roland Berger und einer der Autoren, fest. „Wir erwarten eine entsprechend hohe Dynamik im Markt, die in den kommenden Jahren auch Fusionen und Übernahmen nach sich ziehen wird.“
Spezialisierte Plattformanbieter mit guten Chancen
Das durch die Pandemie beschleunigte Wachstum trifft auf einen stark
fragmentierten Markt. Einerseits versuchen sich große
Technologieunternehmen mit riesigen Datenmengen zu positionieren.
Andererseits bringen kleinere Anbieter Applikationen und spezielle
Lösungen für bestimmte Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes, auf
den Markt. 2019 waren sich noch 61 Prozent der Experten sicher, dass
die großen Tech-Konzerne bis 2025 ein integraler Bestandteil des
Gesundheitssystems sein werden. Die aktuellen Umfrageergebnisse zeigen jedoch: Lediglich zehn Prozent der Patienten mit Vorerkrankungen würden sich an diese Unternehmen wenden. „Damit steigen die Chancen für Unternehmen und
Plattformanbieter aus dem Gesundheitswesen, die als Schnittstelle
virtuelle und reale Dienstleistungen kombinieren“, sagt Neumann.
An diese neuen Plattformmodelle sollten sich auch ambulante
Dienstleistungsanbieter anpassen. Ansonsten laufen sie mittelfristig
Gefahr marginalisiert oder aus dem Markt gedrängt zu werden. So
erwarten etwa 64 Prozent der Befragten, veränderte Geschäftsmodelle
für ambulante Dienstleistungen. „Es ist wichtig, dass Anbieter jetzt
die Weichen für die nächsten Jahre stellen“, rät Karsten Neumann.
„Sie müssen sich fragen, welche Plattformen sie bedrohen können, oder
wo und in welchem Netzwerk sie selbst ihr Geschäftsmodell ausweiten.“
Plattformen international bereits heute erfolgreich
Mit passenden Geschäftsmodellen drängen auch neue Spieler in den
Markt. So verschärfen Startups den Wettbewerb in allen beteiligten
Industrien – sei es in der Pharmabranche, bei den Versicherern, bei
Leistungserbringern oder bei Startups und Technologieunternehmen. „Es
entstehen immer mehr Spezialisten. Das führt zwangsläufig zu einer
Vernetzung untereinander, um eine durchgehende User Journey zu
gewährleisten“, erklärt Neumann. „Relevante Partnerschaften, in denen
alle Teilnehmer profitieren, werden in Zukunft der entscheidende Erfolgsfaktor sein.“
Praktische Beispiele unterstreichen diese Entwicklung. So bringt eine
Versicherung in Mexiko bereits heute 22.000 Versorgungsanbieter mit
über 250.000 Patienten in einer Plattform zusammen. Ein chinesisches
Unternehmen bündelt wiederum große Datensätze,
Online-Terminvereinbarungen und gesundheitsfördernde Programme auf
einer anderen Plattform. Und in Saudi-Arabien ist die
Plattformintegration bereits Teil des gesamten Gesundheitssystems. Um
Schritt zu halten, müssen europäische Marktteilnehmer
ihre Strategien neu definieren. „Durch den Plattformgedanken sind
alle Chancen für die Marktteilnehmer offen, es wird keine „the winner
takes it all“ Situation geben“, so Neumann.
Quelle Text: Roland Berger
Quelle Bild: obs/Roland Berger