Studie zu bildgebenden Verfahren in der Medizin

(September 2019) Die Anzahl bildgebender Verfahren in der Medizin ist heute größer denn je. Doch welches Verfahren ist das richtige für den Patienten? Prof. Dr. Thomas Kröncke, Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Augsburg (UKA), entwickelte mit vier Kooperationspartnern ein Projekt entwickelt, das das Problem der Unter- und Überversorgung mit medizinischer Bildgebung analysieren und Fehlentwicklungen vermeiden helfen soll.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fördert die MIDAS-Studie im Rahmen seines Innovationsausschusses mit rund einer Million Euro.

Nicht immer sind nötige Informationen über das Für und Wider einer bildgebenden Untersuchung für Ärzte sofort verfügbar. Ein Zuviel oder auch ein Zuwenig kann die Folge sein und zu unnützen Untersuchungen, zusätzlicher Belastung der Patienten oder hohen Kosten führen. Eine unterlassene oder falsch ausgewählte Untersuchung kann im schlimmsten Fall auch die Behandlung verzögern oder dem Patienten schaden. „Zwischen den Jahren 2000 und 2018 verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg an bildgebenden Untersuchungen“, erläutert der Studienleiter Kröncke und fügt hinzu: „Das ist nicht nur deutschland- und europaweit so, das ist weltweit der Fall.“

Ein treibender Faktor ist die überragende Aussagekraft der modernen radiologischen Bildgebung. „Aber mit medizinischem Fortschritt allein lässt sich das nicht erklären“, so Kröncke. In vielen klinischen Bereichen gelte eine besonders hohe Zahl an Eingriffen als Indiz für die Qualität jedes einzelnen Eingriffes. Eine Geburtsklinik beispielsweise darf sich erst ab einer bestimmten Anzahl an Entbindungen im Jahr so bezeichnen. Als Radiologe müsse er sich jedoch die Frage stellen: Welche Bildgebung ist die richtige Bildgebung zum richtigen Zeitpunkt für den Patienten in seiner individuellen Situation?

Unterstützungssoftware als „Navigationssystem für Ärzte“

„Bei uns gilt: Qualität vor Quantität“, betont Kröncke. Und dies bedeute auch, dass die Untersuchung gezielt auf den einzelnen Patienten ausgerichtet werde. Schon vor einiger Zeit habe er sich daher um eine Unterstützungssoftware bemüht, die dem Arzt nach Eingabe einiger relevanter Parameter eine Empfehlung für das richtige und angemessene Bildgebungsverfahren liefere. Diese elektronische Entscheidungshilfe (Clinical Decision Support System, CDSS) auf Basis von Leitlinien und Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften ermöglicht es dem Arzt, sich schnell über die richtige Bildgebung in einer Entscheidungssituation zu informieren.

Kröncke vergleicht ein CDSS mit einem Navigationssystem. Im Straßenverkehr vertraue heutzutage jeder Autofahrer seinem Navigationsgerät, auch wenn das gleiche Wissen in Papierform im Handschuhfach liege. „Kein Mensch würde heute noch rechts ranfahren und anfangen, im Straßenatlas zu blättern. Das Navi ist schnell, zuverlässig und gibt einem die Information, wenn man sie braucht. Was wir in unserer Studie untersuchen wollen, ist, ob ein Navi für medizinische Bildgebung ähnlich den Weg weisen und medizinische Umwege oder falsche Wege vermeiden kann“, so der Radiologe.

Weitere Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung

In den USA werden diese Unterstützungssysteme seit einigen Jahren angewendet. „Offenbar sind die Amerikaner vom positiven Nutzen von CDSS so überzeugt, dass die Einführung dieser Systeme ab 2021 für jede Klinik dort zur Pflicht wird“, erklärt Kröncke. Die MIDAS-Studie solle nun prüfen, ob sich Über- und Unterversorgung bei bildgebenden Verfahren durch Anwendung der elektronischen Entscheidungshilfe auch am Universitätsklinikum Augsburg vermeiden und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern lasse. Die anderen Teilnehmer der Studie und Kooperationspartner sind die Universitätsklinika der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität Lübeck sowie das Erasmus University Medical Center Rotterdam und das Universitätsklinikum Mainz. Laufzeit der Studie ist zwei Jahre; beginnen wird sie ab Herbst.

Zukunftsweisende Verknüpfung von Versorgungsforschung und E-Health

„Die Förderung durch den GBA-Innovationsausschuss mit einer Million Euro freut mich auch deshalb, weil damit unser Forschungsprojekt als zukunftsweisende Verknüpfung von Versorgungsforschung und E-Health gesehen wird“, so Kröncke weiter, der der verantwortliche Autor der Studie ist. „Der Erfolg von Herrn Kollegen Kröncke gibt dem Forschungsschwerpunkt Medical Information Sciences der Augsburger Universitätsmedizin einen wichtigen Impuls. Universität und Universitätsklinikum arbeiten in diesem Forschungsbereich eng zusammen“, erklärt Gründungsdekanin Prof. Dr. Martina Kadmon. „Wir machen rasche Fortschritte beim Aufbau: Mit Herrn Prof. Frank Kramer hat die Universität im Herbst ihre erste Medizininformatik-Professur besetzt, weitere Kollegen, zum Beispiel für Clinical Decision Support, werden bald folgen“, so Kadmon weiter.

Quelle Text und Bild: Universitätsklinikum Augsburg