Videosprechstunde: Trotz hoher Qualität viel zu selten

(Februar 2023) Die Pandemie offenbarte die Bedeutung von Telemedizin im Kontext einer gesicherten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Dennoch gelang es in der vertragsärztlichen Versorgung bislang nicht, Videosprechstunden flächendeckend zu etablieren.

Dies belegen offizielle Zahlen: Laut Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (ZI) wurden im Jahr 2021 knapp 3,5 Millionen Videosprechstunden abgerechnet. Das sind 0,6 Prozent der jährlich 553 Millionen Behandlungsfälle. Eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag offenbarte zudem, dass 27.000 Vertragsärzt:innen3 im ersten Quartal 2022 eine Videosprechstunde durchführten; das sind lediglich 15 Prozent der insgesamt mehr als 180.0004 Vertragsärzt:innen.

Hohe Nutzungsbereitschaft und -zufriedenheit auf Patientenseite

Diesem geringen Angebot steht ein hohes Interesse auf Patientenseite gegenüber. So zeigt eine aktuelle, internetrepräsentative Umfrage von eye square im Auftrag des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes, dass 75 Prozent der Nutzer:innen von Videosprechstunden diese eher oder sehr wahrscheinlich erneut nutzen, während 45 Prozent der Nicht-Nutzer:innen sich eine künftige Nutzung grundsätzlich vorstellen können.

Eine interne, stichprobenartige Befragung des Telemedizinunternehmens Medgate zeigt ebenfalls die hohe Zufriedenheit der Anwender:innen und offenbart, was Patient:innen an videobasierten Arztbesuchen schätzen: Die einfache Terminbuchung (97%), die Möglichkeit zur Vereinbarung eines Wunschtermins (95%) und die geringe Wartezeit (83%). Nutzer:innen der Medgate-Videosprechstunde sind zudem mit der medizinischen Qualität zufrieden: 89 Prozent gaben an, die telemedizinische Videosprechstunde habe weitergeholfen.

Zu geringes Angebot in der Regelversorgung und Vorurteile bei Interessenvertretern

Der hohen Nutzungsbereitschaft in der Bevölkerung und Zufriedenheit von Nutzer:innen steht kein ausreichendes Angebot in der Regelversorgung gegenüber.  So belegt eine Allensbach-Umfrage, dass lediglich zwei Prozent der Bevölkerung bisher Erfahrungen mit Videosprechstunden sammeln konnten. Insbesondere ärztliche Interessensvertreter argumentieren, Videosprechstunden seien sinnvoll, könnten physische Arztbesuche jedoch nicht ersetzen; letztere seien der ‚medizinische Goldstandard‘.

Wissenschaftliche Studie belegt hohe Qualität der Telemedizin

Eine fundierte Studie von US-Wissenschaftlern entkräftet dieses Vorurteil und offenbart die hohe Qualität telemedizinischer Arztbesuche und Diagnostik. Die Studie ging der Frage auf den Grund, wie sehr telemedizinisch und physisch gestellte Diagnosen übereinstimmen. Die Studienkohorte bestand aus 2.393 Patient:innen, die innerhalb eines Zeitfensters von 90 Tagen wegen einem neu auftretenden Gesundheitsproblem eine Videokonsultation mit anschließendem ambulantem Besuch absolvierten.

In rund 87 Prozent der Fälle stimmten physische und telemedizinische Diagnose überein. Videotelemedizinische Arztbesuche zeigten damit ein hohes Maß an diagnostischer Übereinstimmung mit persönlichen Arztbesuchen. Vor allem in der fachärztlichen Versorgung zeigte sich eine hohe Konkordanz von bis zu 96 Prozent. Die Studie umfasste medizinische Fachrichtungen wie u.a. Allergologie, Dermatologie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Hämatologie, Innere Medizin, Kardiologie, Neurologie, Orthopädie, Psychologie und Urologie. Abweichende Diagnosen verzeichneten die Wissenschaftler, wenn zur Befundung eine körperliche Untersuchung oder neurologische Tests erforderlich waren.

Quelle Text: Miriam Piecuch

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