Wirtschaftsakteure: Auswirkungen der MDR auf die Lieferketten in der Medizinprodukteindustrie

Gesetzbuch mit Richterhammer - Medizinrecht(August 2020) Durch die vom EU-Parlament verabschiedete Medical Device Regulation (EU MDR) entstehen Fragen in der Medizinprodukteindustrie. Hersteller und Unternehmen in der Biowissenschaft arbeiten daran, die MDR zu entziffern und einzuführen, doch laut einer aktuellen Studie haben 28 Prozent der befragten Unternehmen noch nicht damit begonnen, die Anforderungen an Wirtschaftsakteure auszuarbeiten, geschweige denn die Wirtschaftsakteure in ihren Lieferketten zu identifizieren (The Race to EU MDR Compliance Continues, KMPG, 2019).

Durch die EU MDR wandelt sich die Compliance, also die frühere alleinige Verantwortung der Hersteller, zu einer Verpflichtung verschiedener Entitäten, die ein wirtschaftliches Interesse an Medizinprodukten haben. Diese Entitäten werden in dem Begriff ‚Wirtschaftsakteure‘ gebündelt. Hinzu kommen die neuen regulatorischen Anforderungen für Importeure und Distributoren, die vormals nicht formell für die Sicherstellung der Compliance verpflichtet wurden. Da sich die verschiedenen Entitäten nun die Last der Erfüllung der gesetzlichen Auflagen teilen und ein großer Zeitdruck herrscht, fragen sich viele, wie gut die Industrie für diese weitläufigen Veränderungen gewappnet ist.

Unternehmen haben noch bis Mai 2021 Zeit, um sich an die Änderungen und neuen Regelungen anzupassen. Nachfolgend schaffen wir für Unternehmen Klarheit und beraten diese, welche Richtlinien bezüglich der Änderungen gelten, was auf die jeweiligen Wirtschaftsakteure zukommt und welche neuen Aufgaben jede Entität von nun an erfüllen muss, um potenziell schädliche Auswirkungen durch nicht-Konformität für die gesamte Lieferkette zu vermeiden.

Compliance: Wer teilt, gewinnt

‚Wirtschaftsakteure‘ sind laut der EU MDR Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure und Händler. Die Entitäten, mit Ausnahme der Händler, teilen sich von nun an die rechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften. Unter der neuen Regelung sind sie gesamtschuldnerisch haftbar, wenn sie zulassen, dass nicht-konforme Produkte in Umlauf kommen. Viele Wirtschaftsakteure sind sich aber nicht bewusst, welche Veränderungen die EU MDR mit sich bringt, wie sie sich auf Betriebsabläufe auswirken, und welche Verpflichtungen und rechtliche Verantwortung hinzukommen. Doch ein schlecht vorbereitetes Unternehmen kann Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette haben, da nicht-konformes Verhalten eines einzelnen Wirtschaftsakteurs direkte rechtliche Konsequenzen für andere Entitäten hat.

Beispiellose regulatorische Anforderungen für Wirtschaftsakteure

Zuerst müssen Hersteller sämtliche Lieferketten nachvollziehen und abbilden, um jeden Wirtschaftsakteur nach Artikel 2 der EU MDR identifizieren zu können. Wenn sie diesen Schritt vernachlässigen, wird es für Hersteller nahezu unmöglich sein sicherzugehen, dass die verschiedenen Entitäten in ihrer Lieferkette ihre Verpflichtungen erfüllen können.

Importeuren wird eine komplett neue Rolle bei der Compliance-Bestätigung der Geräte zugewiesen, da sie genaue regulatorische Anforderungen erfüllen müssen, und die Angaben der Hersteller verifizieren müssen. Jede Entität, die Medizinprodukte aus Drittländern auf den Europäischen Markt bringen will, hat Verpflichtungen in Bezug auf nicht-konforme Produkte, Produktrückrufe und Vigilanz. Sollten Importeure zum Beispiel ein nicht-konformes Produkt entdecken, müssen sie von nun an ein Meldungssystem haben, über welches sie die relevanten Hersteller, Bevollmächtigten, und Händler informieren können. Des Weiteren sind sie verpflichtet eine Kopie der Konformitätserklärung sowie Kopien, Änderungen, und Ergänzungen der Erklärung zu behalten. Letztlich müssen sie sich auch noch bereit erklären, Muster ihrer Produkte zur Verfügung zu stellen und Zugriff auf diese Muster zu ermöglichen. Auf Importeure kommen nun gänzlich neue Prozesse zu, die eine radikale Verschiebung der Denkweise und spezifische Expertise nötig machen, um effektiv umgesetzt zu werden.

Zwar können Importeure und Händler der gleiche Akteur sein, doch dies ist nicht immer der Fall. Wenn sie also zwei verschiedene Akteure sind, sind die einzigen Wirtschaftsakteure, die nicht explizit als gesamtschuldnerisch haftbar genannt werden, die Händler, die Medizinprodukte auf dem Markt verfügbar machen. Sie sind außerdem nicht verpflichtet, sich bei EUDAMED (Europäische Datenbank für Medizinprodukte) zu registrieren. Sie müssen nur verifizieren, dass das CE Kennzeichen, die EU Konformitätserklärung, und die Produktidentifizierungsnummer (UDI) vorhanden sind – und Vorfälle im Rahmen ihrer Vetragshändlerverträgen an den Hersteller melden. Im Falle einer ernsten Gefahr für die öffentliche Gesundheit besteht eine strenge Meldungsfrist, also müssen Händler sicherstellen, dass sie diese einhalten können, und ihre Systeme und Prozesse überprüfen. In Anbetracht dessen, dass vorherige Richtlinien keine regulatorischen Verpflichtungen für Händler beinhaltet haben, ist die zusätzliche Verantwortung umso größer.

Bevollmächtigte werden in der EU MDR als „jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die von einem außerhalb der Union ansässigen Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in seinem Namen bestimmte Aufgaben in Erfüllung seiner aus dieser Verordnung resultierenden Verpflichtungen wahrzunehmen, und die diesen Auftrag angenommen hat“ bezeichnet (EU MDR Artikel 2). Unter den neuen Regelungen müssen sich auch Bevollmächtigte bei EUDAMED oder der bis zur Verfügbarkeit von EUDAMED gültigen Registrierungsmethode registrieren, und müssen auf eine ‚verantwortliche Person‘ (PRRC) Zugriff haben. Bevollmächtigte sind von nun an zusammen mit dem Hersteller für defekte Produkte haftbar und müssen sich daher finanziell absichern. Auf Bevollmächtigte kommt unter den neuen Regelungen insgesamt eine sehr aktive Rolle zu, was viele vor neue geschäftliche Herausforderungen stellen wird.

Die EU MDR führt viele neue Verantwortungen für Hersteller ein. Tatsächlich sind es zu viele, um sie hier vollständig abzudecken, wichtig sind, dass sich Hersteller registrieren, eine einmalige Registrierungsnummer (SRN) anfordern, UDIs für ihre Produkte generieren und registrieren, und Pläne zur Überwachung der Produkte nach Inverkehrbringen erstellen müssen. Zudem stehen Hersteller vor der Herausforderung, ihre Lieferketten nachzuvollziehen und abzubilden, damit sie sicherstellen können, dass ihre Wirtschaftsakteure registriert und konform sind. Eine weitere Aufgabe wird sein, sich auf einer Plattform zu registrieren, da sich die Einführung von EUDAMED, der neuen Datenbank, bis 2022 verzögern wird. Derzeit ist noch unklar, wie diese Plattform genau aussehen wird, doch es wird allen Wirtschaftsakteuren empfohlen, sich stets auf dem Laufenden zu halten und sich eventuell auf eine alternative Registrierungsmethode einzustellen.

Die neuen Anforderungen mit praktischen Schritten meistern

Für Hersteller wird eine der wichtigsten Aufgaben sein, ihre rechtlichen Teams und ihre Geschäftsführung auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Sie sind daher besonders angehalten, ihre Führungsebene auszubilden und zu informieren, damit die Veränderungen in Angriff genommen werden können. Unternehmen sollten prüfen, welche Ressourcen benötigt werden, um die fortlaufende Einhaltung der Regeln zu gewährleisten. Zu diesen Ressourcen gehört auch das richtige Personal, das eine zentrale Rolle spielen wird, um Anbieter-Kontrollen und Prüfungen durchzuführen. In enger Anlegung an die neuen Definitionen und Anforderung der EU MDR sollten Hersteller ihre ‚Bevollmächtigten‘, ‚Importeure‘, und ‚Händler‘ nachvollziehen und abbilden sowie identifizieren, wer in welche Kategorie fällt. Sie müssen dann verifizieren, dass alle Einheiten bereit und fähig sind, sich an die EU MDR anzupassen, und sich zur gemeinsamen Bewältigung der Aufgaben verpflichten. Dazu gehört auch, dass Bevollmächtigte und die ‘verantwortliche Person’ die richtigen Mechanismen zur Verfügung haben, um verhindern zu können, dass Produkte auf den Markt gelangen, bzw. den Vertrieb einzustellen.

Als ersten Schritt sollten Hersteller zumindest die Wirtschaftsakteure in ihrer Lieferkette identifizieren und die für die Registrierung notwendigen Informationen sammeln. Diese Aufgaben, inklusive der Verifizierung von Status und Zustand der Lieferketten, wird vermutlich zusätzlichen Druck auf kleinere Unternehmen ausüben. Größere Hersteller werden derweil mit der Komplexität und Internationalität ihrer Netzwerke kämpfen. Während Hersteller sich mit diesen komplexen Problemen befassen und daran arbeiten, ihre Netzwerke klar zu definieren, müssen andere Wirtschaftsakteure versuchen, die neuen und spezifischeren Anforderungen schnell und effektiv umsetzen. Sollten sie es versäumen, sich an die neuen Regelungen anzupassen, riskieren sie, ihren Marktzugang zu verlieren und rechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Auswärtige Experten können beratend unterstützen – direkte Nachfragen können  Vorteile für Hersteller bringen, um die regulatorischen Feinheiten zu bewältigen und Wirtschaftsakteure auf eine Linie zu bringen.

Das neue Whitepaper von Maetrics enthält weitere Einzelheiten zu den neuen Verantwortungen von Wirtschaftsakteuren zur EU MDR.

Quelle Text: Chad Reynolds

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