Wissenschaft und Praxis: Erfahrungen mit OP-Raumlufttechnik

OP, Lüftung, Medizintechnik, Opragon(Dezember 2018) Ein nachmittäglicher Opragon-Workshop in der Oberlinklinik Potsdam brachte im November rund 70 Experten und Ingenieure zu spannenden Diskussionen rund um das Thema Lüftungstechnik im OP zusammen. Der Austausch über neueste wissenschaftliche Ergebnisse, Praxiserfahrungen sowie persönliche Meinungen nach spannenden und informativen Vorträgen zeigt die Relevanz dieses Themas, zu dem laut Experten weitere Studien nötig sind.

Die orthopädische Schwerpunktklinik in Potsdam, unter anderem mit Rehabilitation, MVZ und Hörtherapie, hatte gemeinsam mit Avidicare zum Workshop eingeladen.

Nach einer kurzen Einführung der Gastgeber über die Klinikdaten und das Opragon-8-Lüftungssystem referierte Prof. Dr. Petra Gastmeier aus der Berliner Charité über Raumluft und Infektionsprävention aus der Perspektive der Krankenhaushygiene. Studien zur OP-Krankenhaus-Infektionssurveillance in 55 Kliniken mit rund 100.000 Prozeduren zeigten keine eindeutige Präferenz in Richtung Laminar Air Flow (LAF). Die LAF sei nicht viel schlechter als andere Ventilationssysteme, doch eine generelle Empfehlung für diese Technik gebe es auch nicht. Das Fazit der Expertin: LAF führe nicht zu reduzierten SSI Raten, deshalb sei es wichtig, weitere Lüftungstechniken konkret zu untersuchen.

Vergleich zwischen den Systemen

Prof. Clemens Bulitta, Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden, unterstrich die Aussagen der Hygieneexpertin Gastmeier. Da in jedem Land verschiedene Standards für die LAF vorherrschen, sei es besonders schwierig, hier allgemeingültige Aussagen zu treffen. Der Medizintechnikexperte stellte bekannte und innovative raumlufttechnische Lösungen vor und betonte, jede Technik habe ihre Vor- und Nachteile. Neben der LAF gibt es die Mischlüftung und die Temperature Controlled Airflow (TAF) mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Sicher sei nur, dass die Luftverunreinigung eine wichtige Rolle bei der Infektionsvermeidung spiele.

Dabei dürfen jedoch nicht nur die Temperaturen und Lüftungssysteme betrachtet werden, auch die Konvektionsströmungen und menschliches Verhalten – beispielsweise ständiges Öffnen der OP-Tür – seien wichtige und zu berücksichtigende Komponenten. Zahlreiche endogene und exogene Faktoren, darunter die „falsche“ Händehygiene des Personals, die mikrobiologische Besiedlung des Patienten oder auch kontaminierte Flächen oder Kleidung haben Einfluss auf die Hygiene im OP. Bulitta lobte die schwedische OP-Kleidung, die im Gegensatz zu der in Deutschland üblichen, mehr Haut bedeckt und eng anliegende Bündchen aufweist, wodurch das Einbringen von Erregern in den OP zudem verringert wird. Das komplexe System „OP-Raumluft“ bedarf weiterer Studien, denn keine Lüftungslösung kann als die Beste bezeichnet werden. Die eine Lösung gibt es zurzeit nicht.

Die Niederländer führen ähnliche Diskussionen in Bezug auf die Raumbelüftung schon seit einigen Jahren, so Remko Noor, Berater bei D2 Ontwikkeling. Neben dem fortschrittlichen MRSA-Screening in jeder Klinik nutzt das dortige OP-Personal auch eine verbesserte Schutzkleidung, durch die weniger Hautschuppen in den sterilen Raum entweichen. Ferner haben die Experten unseres Nachbarlandes herausgefunden, dass es keine untere Grenze für „low“ beim LAF gibt – wie Studien und Partikeltests beweisen. In den Niederlanden sollen laut Avidicare bis zum Ende des kommenden Jahres rund 55 Opragon-Systeme installiert sein.

Norm-Novelle

Über die seit 2018 erneuerte Norm DIN 1946-4 für Räume in Gesundheitseinrichtungen mit besonderen Anforderungen in der Luftaufbereitung informierte Dr. Frank Wille, Fachexperte für die Aufbereitung vorn Medizinprodukten und Geschäftsführender Gesellschafter der Hybeta GmbH. Insgesamt sei die Anzahl der Neuerungen im Vergleich zur Novelle von 2009 überschaubar. Neu fordert sie zum einen die Beteiligung eines unabhängigen Hygiene-Ingenieurs zusätzlich zum Krankenhaushygieniker, ferner ist nun der Einsatz von Sekundärluftkühlgeräten ebenso erlaubt wie die Nachtabschaltung auch für die „Raumklasse 1“. Zuletzt besteht ein erheblicher Mehraufwand bei der Erholzeitmessung.

Potsdamer Lösung

Am Ende des Workshops berichtete Diplom-Ingenieur und technischer Gebäudeausrüster Welf Weinstock, wie das Opragon-8-System in der Oberlinklinik installiert und in Betrieb genommen wurde. Seit fast zwei Monaten belüftet diese innovative Technik den neuen Operationssaal und braucht, so Peter Höjerback, CEO Avidicare, 30 Prozent weniger Energie als herkömmliche Belüftungssysteme. Dr. med. Robert Krause, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Extremitätenchirurgie Oberlinklinik, hebt das subjektive Empfinden der Mitarbeiter hervor, die das Raumklima während der Arbeit als sehr angenehm empfinden.

Zum Abschluss besichtigen die Workshopteilnehmer den neuen OP in Potsdam. Das dienstführende Personal zeigte sich auf Nachfrage sehr zufrieden mit der geringen Lautstärke, der Temperatur und der Energieeffizienz des Opragonsystems. 180 Installationen in Europa, davon erste in der Schweiz und in Deutschland, bestätigen Avidicare, das Belüftungssystem in hiesigen OPs auszubauen. Clemens Bulitta erklärt, auch wenn bis jetzt keine perfekte Lösung vorliege, sei das Opragonsystem ein gutes, robustes System zur Infektionsprävention und auf jeden Fall eine Alternative zu den bisherigen Lösungen.

Quelle Text und Bild: Mirjam Bauer