Vom Hinterhof an den Point of Care: Kliniken wollen die Krankenhausapotheke aufwerten

(März 2018) Deutschlands Kliniken wollen ihre Krankenhausapotheke besser für die Zukunft aufstellen. Das hat eine Marktumfrage der Eschborner Ingenieurs- und Projektmanagementgesellschaft Curatis unter 500 Krankenhäusern ergeben. Zu den geplanten Organisationsveränderungen, die drei Viertel der befragten Häuser mit einer Größe von mehr als 650 Betten für ihre Apothekenleistungen anstreben, zählt unter anderem die Einführung eines Unit-Dose-Systems.

Die patientenindividuelle Arzneimittelversorgung (Unit Dose) ist eine von vielen Maßnahmen, mit denen Kliniken, die eine eigene Apotheke betreiben, ihre Leistungen aufwerten wollen. „Der Stellenwert der Krankenhausapotheke für die Reputation und das Image einer Klinik wächst“, beobachtet Curatis Geschäftsführer Norbert Werner Lenhard. So rücke die Arzneimittelsicherheit immer stärker in den Fokus des medizinischen Versorgungsauftrages. Dadurch werde die Rolle der Apotheke weiter aufgewertet: vom Beschaffer und Verteiler von Arzneimitteln hin zum Garanten für eine risikofreie medizinische Patientenversorgung.

„Die Krankenhausapotheke muss heute als zentraler Bestandteil eines integrierten Prozess- und Qualitätsmanagements verstanden werden“, so Lenhard über den Bedeutungszuwachs der Arzneimittelversorgung. Die Krankenhausapotheke rücke vom „Hinterhof“ an den Point of Care vor.

Wegbereiter dieser Entwicklung ist im Kern die Digitalisierung und Individualisierung der Medikamenten- und Arzneimittelversorgung. So tendieren drei Viertel der großen Krankenhäuser bei der Medikamentenerfassung künftig zum Einsatz einer patienten- und fallbezogenen Software. Selbst bei den Grund- und Regelversorgern wollen mehr als die Hälfte der befragten Häuser mehr Patientensicherheit durch den Einsatz moderner IT-Lösungen im Medikationsprozess gewinnen.

Gleichzeitig dokumentiert das Ergebnis der Umfrage auf verschiedenen Feldern Nachholbedarf. So besitzen längst nicht alle teilgenommenen Krankenhausapotheken ein GMP-Zertifikat. Sie folgen somit nicht den standardisierten Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktabläufe und Umgebung zur Herstellung von Arzneimitteln nach der „Good Manufacturing Practice“. Selbst bei den Maximalversorgern, die in allen Fällen eigene Zytostatika herstellen, ist das Zertifikat, das der Apotheke eine gute Herstellungspraxis für Arzneimittel bescheinigt, nicht durchgehend anzutreffen.

Wirtschaftliche Optimierungsansätze offenbart der Blick auf die Vergabepraxis: Nur ein geringer Teil der befragten Krankenhäuser schreiben ihre Apothekenleistungen öffentlich aus. „Hier könnten Krankenhäuser deutliche Einsparpotenziale realisieren und ihre Medikamenten- und Arzneimittelversorgung bei einem optimierten Personaleinsatz zugleich an ihre Bedarfe anpassen“, ist Lenhard überzeugt. Mehr Effizienz könnte beispielsweise durch Systeme zur elektronischen Verordnungsunterstützung erzielt werden. Digitale Bestellvorgänge auf Stationen werden hingegen bereits von allen befragten Krankenhäusern genutzt.

Bis zu zehn Millionen Euro haben Maximalversorger im Jahr 2016 für Arzneimittel ausgegeben; bei Krankenhäusern der Schwerpunktversorgung waren es rund fünf Millionen Euro, bei Häusern der Grund- und Regelversorgung deutlich weniger als eine Million Euro. In der Mehrzahl der Fälle verhandelt der Apotheker und/oder der Einkauf die Preise mit den Lieferanten. Nur ein geringer Teil der befragten Krankenhäuser lässt die Preise von externen Partnern, beispielsweise von Einkaufsgesellschaften, verhandeln.

„Die Zukunft gehört einer Medikamentenversorgung, die steigende Qualitäts- und Serviceansprüche mit hohem Kostenbewusstsein verbindet “, sagt Lenhard. Der Krankenhausapotheker von morgen sei nicht mehr ausschließlich Pharmazeut, sondern vielmehr ein ganzheitlich denkender Prozessmanager.

Quelle Text: Curatis

Quelle Bild: Fotolia Gundolf Renze