Krankenhaus Rating Report 2021: Wirtschaftliche Lage schlechter

(Juli 2021) Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2019 weiter verschlechtert, so das Ergebnis des Krankenhaus Rating Report 2021. Zum Hauptstadtkongress wurde er der Öffentlichkeit vorgestellt. 13 Prozent der Kliniken haben erhöhte Insolvenzgefahr. Nur 2020 führten Ausgleichszahlungen für die Einnahmeausfälle der Krankenhäuser während Pandemie zu einem positiven Netto-Effekt.

Ab 2022 könnte sich die Lage jedoch deutlich verschlechtern. Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt die siebzehnte Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2021 – Medizin und Gesundheit“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Er wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) und der HIMSS erstellt.

Die Lage:

13 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 27 Prozent im „gelben“ und 60 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen noch 63 Prozent im „grünen Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2019 ebenfalls leicht verschlechtert: 33 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2018 waren es 31 Prozent. Im Jahr 2019 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis 0,8 Prozent der Erlöse, im Jahr 2016 waren es noch 2,2 Prozent.

Ausschlaggebend dafür dürfte die seit 2017 anhaltende Stagnation der Leistungsmenge gewesen sein. Aufgrund der COVID-19-Pandemie sank im Jahr 2020 die stationäre Fallzahl zudem um dramatische 13 Prozent, in den ersten Monaten der Pandemie vorübergehend sogar um 30 Prozent. Im Jahr 2020 waren 2 Prozent aller Betten und 4 Prozent aller Intensivbetten durch COVID-19-Patienten belegt. Auch im Jahr 2021 dürfte die Ausnahmesituation mit deutlich geringerer Leistungsmenge als 2019 bestehen bleiben.

Insgesamt wurden 2020 rund 10,2 Milliarden Euro für die Einnahmeausfälle der Krankenhäuser in Form von Ausgleichszahlungen ausgezahlt. Die Ausgleichszahlungen lagen in der Summe höher als die durch die Leistungsreduktion hervorgerufenen Mindererlöse der Krankenhäuser, sodass die Erlöse 2020 bei den somatischen Krankenhäusern durchschnittlich um etwa 3,7 Prozent und bei psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken durchschnittlich um etwa 10,6 Prozent zugenommen haben. Entsprechend dürfte sich die wirtschaftliche Lage der Kliniken 2020 kurzzeitig verbessern und 73 Prozent im „grünen“ sowie 9 Prozent im „roten“ Bereich liegen.

Die Auslagerung der Pflegepersonalkosten ab dem Jahr 2020 führte schon 2019 zu einem erheblichen Aufbau des Pflegediensts in den Krankenhäusern und gleichzeitig zu einem Abbau des Funktionsdiensts. Außerdem sind Wanderungsbewegungen von der Alten- in die Krankenpflege zu beobachten. Der erwartete starke Sogeffekt des Pflegebudgets zeigt sich demnach schon. Auch der Wettbewerb um die Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu. Schon vor 2019 war die Fluktuation des Pflegepersonals gestiegen.

Im Krankenhausbereich und im vertragsärztlichen Bereich arbeiten immer mehr Ärzte, allerdings sind sie zunehmend in Teilzeit tätig. Im vertragsärztlichen Bereich stieg der Teilzeit-Anteil von 8 Prozent im Jahr 2009 auf 38 Prozent im Jahr 2020. Daher ist hier umgerechnet die Zahl der Vollkräfte zwischen 2009 und 2020 konstant geblieben. Überdies arbeiten immer mehr ambulant tätige Ärzte in einem Angestelltenverhältnis. Im Jahr 2008 waren es 6 Prozent, im Jahr 2020 schon 24 Prozent.

Große Krankenhäuser haben typischerweise ein besseres Rating als kleine. Dabei erreichen Krankenhäuser mit einer Bettenzahl zwischen 600 und 900 bzw. mit Umsatzerlösen zwischen 140 und 190 Millionen Euro die beste Ertragslage – ausgenommen Fachkliniken. Ein hoher Grad an Spezialisierung beeinflusst das Rating ebenso positiv wie die Zugehörigkeit zu einer Kette. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden im Allgemeinen beim Rating und der Ertragslage deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken.

Regional fällt das Rating am schlechtesten in Baden-Württemberg und Niedersachsen/Bremen aus, signifikant besser in Ost-Deutschland.

Handlungsempfehlungen

  • Krankenhausversorgung. Innerhalb von Versorgungsregionen ist eine enge Koordination der Angebote nötig. Wo immer möglich, sollten sich Träger innerhalb der Region zusammenschließen oder zumindest trägerübergreifend kooperieren.
  • Ambulante und sektorenübergreifende Versorgung. Ambulante und Integrierte Gesundheitszentren sollten für die primärärztliche und fachärztliche Versorgung etabliert werden. In den meisten Regionen finden sich Krankenhäuser, die sich aufgrund ihrer Größe und Lage als Teil eines „Integrierten Gesundheitszentrums“ (IGZ) eignen könnten. Dazu sollten Hürden für die Übernahme von ambulanten Leistungen durch Krankenhäuser abgebaut werden.
  • Rettungswesen. Je stärker zentralisiert eine Krankenhausstruktur ist, desto mehr muss das Rettungswesen digitalisiert sein. Jeder Rettungswagen benötigt eine telemedizinische Anbindung zum Krankenhaus, und es müssen bereits erste wichtige Schritte durch den Notarzt oder entsprechend ausgebildete Rettungssanitäter unternommen werden.
  • Altenhilfe. Die Altenpflege muss enger mit der medizinischen Versorgung verknüpft werden. Nötig ist ein nahtloser Übergang vom Krankenhausaufenthalt zur Kurzzeitpflege. Ein IGZ oder ein Krankenhaus sollte zu diesem Zweck entsprechende Verträge mit der Pflegeversicherung schließen können. Auch das Prinzip „Reha vor Pflege“ sollte stärker gelebt werden.
  • Mobilität und Nähe. Ein wichtiger Baustein der ländlichen Versorgung sind mobile Gesundheits- und Pflegeexperten mit telemedizinischer Anbindung an ein Gesundheitszentrum oder ein Krankenhaus.
  • Digitalisierung. Die Versorgung sollte nach dem Grundsatz „digital vor ambulant vor stationär“ gestaltet werden. Zentrale Voraussetzung dafür ist die elektronische Patientenakte (ePA)Vorbild dafür könnte die ePA aus Estland sein, die auf paternalistische Voreinstellungen seitens Dritter weitgehend verzichtet und dem einzelnen Bürger eine große Autonomie zugesteht. Da Estland Mitglied der Europäischen Union ist, ist die dortige ePA konform zur Datenschutzgrundverordnung und sollte demnach auch in Deutschland zulässig sein.
  • Personal. Es werden Anreize zur Erhöhung der Erwerbstätigenquote benötigt. Dabei ist einer der größten Hebel das Anheben der Teilzeitquote, weil in Teilzeit tätige Fachkräfte bereits voll ausgebildet und einsatzfähig sind. In der Pflege sind ein neues Verständnis des Pflegeberufs und Karriereoptionen nötig, wie etwa „Clinical Nurses“ mit der Übernahme von mehr Verantwortung und Tätigkeiten, die bislang ausschließlich Ärzten vorbehalten sind. Ergänzend sollte die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte gefördert werden.
  • Gestaltungsfreiheit. Auf regionaler Ebene ist angezeigt, mehr Gestaltungsfreiheit zu gewähren, um die Versorgung effizienter gestalten und patientenorientierter erbringen zu können.

Quelle Text: medhochzwei Verlag GmbH

Quelle Bild: Mirjam Bauer