Preisstrategien für Medtech-Anbieter nachhaltig gestalten

(Oktober 2018) Die Erfolgskurven in der Medtech-Branche steigen. Beim Thema Preisfindung und -management vertrauen allerdings viele Unternehmen noch immer auf das klassische kostenbasierte Preissetzungsverfahren. Den steigenden Kostendruck können sie nur durch Einsatz eines professionellen Preismanagements abfangen und Gewinne verbessern.

Nutzenbasierte Ansätze, die vorhandene Potentiale besser ausschöpfen können, stellen dabei einen wichtigen Hebel dar. Indem sie Preisprozesse und -organisation optimieren, sorgen Unternehmen schließlich dafür, konkurrenzfähig zu bleiben und auf umkämpften Märkten zu bestehen.

Die Medizintechnologie steht exemplarisch für Innovation und technischen Fortschritt. Bei den Gewinnpotenzialen der Branche bleibt aber – wie auch bei den eingesetzten Pricing-Methoden – noch „Luft nach oben“. Oftmals nutzen Medizintechnik-Hersteller für die Preisgestaltung klassische Methoden, so beispielsweise die kostenbasierte Preisfindung. Zwischen Verkaufspreis und Kosten liegen in der Regel festgeschriebene Aufschläge; häufig erfahren diese über längere Zeit, teilweise sogar über mehrere Jahre hinweg, keinerlei Anpassung. Das Verfahren gestaltet sich somit einfach und statisch, ist aber wenig wettbewerbsorientiert. Kundennutzen sowie Wettbewerbspreise bleiben unberücksichtigt. Ausschöpfbare Gewinnpotentiale liegen brach.

Eine Branche im Wandel der Zeit

Viele Medtech-Anbieter erleben derzeit, wie sich die Kunden-Lieferanten-Beziehung wandelt. Ein Teil nimmt diesen Wandel wahr und richtet das Unternehmen entsprechend aus. Andere Unternehmen aber haben noch gar nicht oder nicht ausreichend reagiert. Ursachen für diese Veränderungen liegen nicht nur in der Digitalisierung, sondern auch in den Veränderungen auf der Kundenseite. Die neue Kundengeneration ist mit den digitalen Medien bestens vertraut, über Produkte besser informiert, reagiert auf Preisunterschiede und Preisänderungen sensibler und stellt Kaufloyalität zunehmend in Frage.

Auf der anderen Seite steigt in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Arztpraxen oder Laboren der Kostendruck für alle Aspekte des Gesundheitswesens. Konsequenzen zeigen sich darin, dass die Leitungsetagen der Einrichtungen versuchen, den Kostendruck an ihre Lieferanten weiterzugeben, um Budgets zu schonen und nicht noch stärker durch hohe Einkaufspreise zu belasten. Eines der Probleme ergibt sich aus den Gesamtbudgets, die den Anwendern kaum mehr Spielraum lassen.

Gesundheitseinrichtungen gehen daher vermehrt dazu über, insbesondere beim Einkauf von Medtech Kosten einzusparen. Solche Effizienzsteigerungen resultieren aus erhöhter Professionalisierung und Skaleneffekten. Einerseits stellt sich der Einkauf vor allem in großen Kliniken als eigenständige spezialisierte Abteilung heraus, andererseits schließen sich auch im Gesundheitssektor Einrichtungen zu Einkaufsgemeinschaften zusammen, die womöglich sogar Unterstützung durch professionelle Einkaufsberater erhalten. Diese Berater sind mit den Preispotenzialen im Einkauf bestens vertraut und dazu in der Lage, sie für ihre Kunden zu nutzen. Die Kombination dieser Aspekte führt dazu, dass sich bisherige Preise stets schwerer durchsetzen lassen, somit die Marge sinkt und den Gewinn schmälert.

Neue Wege öffnen neue Türen

Bisher haben Medtech-Anbieter häufig ihre Preise nach herkömmlichen Methoden ohne neue Ansätze ermittelt. Dabei geht es bei der Preisbildung und Preisfestsetzung um die Bestimmung eines Preises für ein Produkt oder eine Leistung mit dem Ziel, die zweckgerichteten Abhängigkeiten zwischen Preis und Absatzmenge optimal zu nutzen und damit Unternehmensziele wie Umsatz oder Gewinn zu maximieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Medtech-Branche an verschiedenen Punkten aktiv werden. Der vollständige Überblick über die Kosten und ein sauber aufgestellter Vertrieb sind jetzt wie auch zukünftig nicht minder wichtig als in der Vergangenheit. Ein nachhaltig erfolgreiches Pricing allerdings ist der wirkungsvollste Hebel für Gewinnsteigerung, Wachstum und Kundenbindung. Entsprechend kann eine Umstrukturierung des Preismanagements beitragen, diese Ziele zu erreichen.

Eine Optimierung der Preisfindung bedeutet in erster Linie die Umstellung von rein kostenbasierten auf nutzenbasierte Preissetzungsverfahren. Im Rahmen dieser Modernisierung kann in anderen Worten eine Trennung von teils jahrzehntelang aufgebauten und beibehaltenen Methoden und Ansätzen erforderlich sein.

Überraschenderweise scheinen viele Medtech-Unternehmen das Kundenverständnis bislang nicht in den Fokus zu rücken, entsprechend häufig wurde eine kundenzentrierte Preisfindung noch nicht eingeführt. Dabei übersehen die Firmen, dass der Kunde das Überleben sichert. Und was nutzt ein perfektioniertes Produkt, wenn die Abnehmer fehlen? Den Fokus auf den Kundennutzen lenkt das value based pricing. Dieser Methodik zur nutzenbasierten Preisfindung liegt eine Abschätzung der Kundenpräferenzen zugrunde. Preispunkte werden somit nicht von Herstellkosten abgeleitet, sondern auf Basis der Einschätzungen der (zukünftig) Zahlungsbereitschaft auf Kundenseite ermittelt. Auf diese Weise können auch innovative neue Komponenten, die bislang noch nicht auf dem Markt etabliert sind, als Mehrwert für den Kunden „eingepreist“ werden und zu Margenverbesserungen führen.

Empfehlenswerte Änderungen zur Verbesserung der Gewinnsituation

Preisprozesse können als ein möglicher Ansatz nachhaltiger Margenpolitik fungieren, haben sich jedoch bislang noch nicht in allen Unternehmen der Branche durchgesetzt. Die Ermittlung von Preisen erfolgt in diesen Fällen nach systematischen Regeln und Strukturen. Ein optimales Preismanagement erfordert eine funktionale Prozesslogik: so stehen die Analyse relevanter Einflussfaktoren und die Erstellung der Preispunkte zu Beginn im Vordergrund, darauf aufbauend sollten Preisprozesse aber auch das Preiscontrolling und damit die Profitabilitätsmessung abdecken. Idealerweise fördern die späteren Prozessphasen frühzeitig Warnsignale mitsamt möglicher Gründe zutage, sodass Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Im Medtech-Sektor sind die Themen Kundensegmentierung und Preisdifferenzierung weitere wichtige Hebel. Preisdifferenzierung stellt sicher, dass der Verkauf eines gleichartigen Produkts, also einer Sache oder einer Dienstleistung, eines Anbieters an unterschiedliche Kunden beziehungsweise Kundengruppen zu uneinheitlichen Preisen erfolgt. Direkt erfolgt die Preisdifferenzierung über die Preispolitik, indirekt über die Konditionspolitik, wie sie einige Unternehmen bereits einsetzen. Eine wirksame Preisdifferenzierung erfordert entsprechende Transparenz über alle Preisebenen, somit nicht nur Listenpreise, sondern beispielsweise auch Rabatte und Boni.

Bei der Preisdifferenzierung können Medtech-Anbieter mehrere unterschiedliche Formen einsetzen. Die räumliche Differenzierung bezieht sich auf den Verkauf auf regional abgegrenzten Märkten. Im Rahmen der zeitlichen Preisdifferenzierung wird der Preis der jeweiligen Nachfrage angepasst, er steigt bei hoher und sinkt bei geringer Nachfrage. Die zielgruppenorientierte Preisdifferenzierung bezieht sich auf den Kunden selbst, beispielsweise durch die Einteilung in bestimmte Zielgruppen wie Krankenhäuser oder Labore. Zur sachlichen Preisdifferenzierung gehören Preisanpassungen je nach Verwendungszweck.

Empfehlenswert ist zudem eine weitergreifende Nutzung der Möglichkeiten, welche sich durch die Digitalisierung sowohl bei Produkten und Lösungen als auch im Preismanagement bieten. Dabei hat sich der Einsatz von Datenbanken für die Sammlung von Kundeninformationen genauso bewährt wie die Auswertung von Rückmeldungen, zum Beispiel, wie häufig eine Maschine ausfällt. Diese Informationen lassen sich bündeln und über Werttreiber monetär umsetzen.

Eine andere Möglichkeit zur Gewinnoptimierung stellt das Anbieten von Lösungspaketen anstelle isolierter Produkte dar; diese werden stattdessen beispielsweise mit nachgehenden Serviceverträgen und/oder Ersatzteilversorgung gekoppelt. Zudem gilt es zu prüfen, ob nutzungsbasierte Geschäfts- und Abrechnungsmodelle wie performance-based contracting oder pay-per-use für das Unternehmen infrage kommen; diese bieten z. B. den Vorteil einer Verstetigung von Einnahmen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es eine Reihe von Ansatzpunkten im Preismanagement von Medtech-Unternehmen gibt, welche die Möglichkeiten schaffen, die Margen und somit den Gewinn zu verbessern. Um die optimale Lösung für ein spezifisches Unternehmen zu finden, ist es allerdings essenziell, auf die Gegebenheiten im jeweiligen Subsegment einzugehen.

Quelle Text: Prof. Dr. Markus B. Hofer/Dr. Lukas Petrikowski, EbelHofer Strategy & Management 

Quelle Bild: EbelHofer Strategy & Management