Interview: Kooperation zwischen DLR und Robotik-Start-up

(Mai 2021) Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Münchner Robotik-Start-up Agile Robots kooperieren bei der Entwicklung einer robotergestützten  Operationsplattform für die Wirbelsäulen- und Unfallchirurgie. Das Projekt ist Teil des MIRO Innovation Labs, das 2017 vom DLR ins Leben gerufen worden ist und durch die Helmholtz-Gemeinschaft gefördert wird.

Ziel dieses Innovation Labs ist die Förderung und Realisierung von zukünftigen robotischen Technologien in der Medizin zum Wohle der Patienten. Im Interview gibt Zhaopeng Chen, der Gründer und CEO von Agile Robots, Antworten:

Wie ist der Status quo der Robotik in der Medizin? Was sind die Anwendungsgebiete?

Chen: Aktuell kommen Roboter vor allem in der Chirurgie zum Einsatz. Roboterlösungen assistieren also im OP-Saal bei verschiedenen Eingriffen – sei es in der Orthopädie, der plastischen Chirurgie oder der Herzchirurgie. Natürlich gibt es noch weitere Anwendungsgebiete: Beispielsweise in der Diagnostik, Pflege und in der stationären Behandlung. Spezielle Medizinroboter sind unter anderem in der Lage, Blutkonserven zu transportieren, Proben abzufüllen oder Flüssigkeiten in Reagenzgläsern zu vermischen.

Wie profitieren Patienten und das Gesundheitspersonal von dem Einsatz von Roboterlösungen?

Chen: Patienten profitieren von kürzeren OP-Zeiten, einer noch höheren Gewährleistung der Sicherheit bei Eingriffen sowie durchaus auch von einer schnelleren Genesung. Medizinroboter sind so präzise und zitterfrei, dass sie bei der minimalinvasiven Chirurgie Verletzungen des Gewebes stark reduzieren.
Daneben wird das Personal massiv entlastet. Es ist kein Geheimnis, dass das Personal in der Gesundheitsbranche überlastet ist. Durch Müdigkeit können sich Flüchtigkeitsfehler einschleichen. Roboter helfen dabei, Fehler zu minimieren und mehr Zeit für Ruhepausen für das Personal zu schaffen.

Welche Position nehmen Mediziner ein?

Vorweg: Für mich ist der beste Medizinroboter weiterhin nichts ohne den Menschen. Letztlich entscheidet der Mediziner, welche Eingriffe erfolgen. Chirurgen bedienen die Roboter und der Roboterarm nimmt die Eingriffe vor – sei es „live” oder vorprogrammiert. Mediziner sind also weiterhin der wichtigste Part bei dieser Mensch-Roboter-Kollaboration.

Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung von Roboterlösungen für die Medizin?

Bei unserer Lösung setzen wir auf einen Roboterarm als universelles Instrument für die Mediziner. Das heißt: Für jeden medizinischen Eingriff muss eine entsprechend angepasste Software eingespielt und genutzt werden. Der Roboterarm kann dadurch mit seinen spezifischen Operationsinstrumenten agieren. Und das ist hier eine der größten Herausforderungen: Für jeden Eingriff müssen wir mithilfe eines Mediziners die entsprechenden Softwaremodule entwickeln.

Welche Roboterlösung bietet Agile Robots und wie unterscheidet sich diese von der Konkurrenz?

Im Vergleich zu klassischen Medizinrobotern, wie das intuitive Da Vinci-System oder der Neurochirurgieroboter von Medtronic, setzen wir nicht auf eine spezifische Indikation für den Roboter. Wie bereits erwähnt bieten wir einen medizinischen Roboterarm an, der universell mithilfe der passenden Software einsetzbar ist. Das heißt: Für uns steht immer im Fokus, dass Robotik sowie Software zusammenarbeiten und über ein bedienfreundliches Interface bestmöglich aufeinander abstimmbar sind.

Mit welchen Partnern kooperieren Sie bei der Entwicklung?

Für jeden medizinischen Anwendungsbereich kooperieren wir mit einem bestimmten strategischen Partner, der große Expertise vorzuweisen hat. In China ist es Tinavi – ein Unternehmen für Navigations- und Positionierungsroboter für orthopädische Chirurgie. In Europa arbeiten wir mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und insbesondere dem auf Medizinrobotik spezialisierten MIRO Innovation Lab am DLR zusammen.

Beschreiben Sie bitte die Kooperation mit dem MIRO Innovation Lab.

Mit dem MIRO Innovation Lab arbeiten wir eng bei der Entwicklung eines Software-Frameworks zusammen. Ziel ist es, dass unser medizinischer Roboterarm in der Wirbelsäulen- und Unfallchirurgie zum Einsatz kommen kann.

Wie wird die Zukunft von Robotik in der Medizin aussehen?

Künftig werden vermehrt Roboter in der Medizin verschiedene Aufgaben verrichten – auch abseits des OP-Saals. In asiatischen Ländern kommen bereits Roboter in der Altenpflege zum Einsatz. Dies kann man natürlich unterschiedlich sehen. Ich finde, wir sollten erst einmal folgenden Weg bestreiten: Roboter sollten dann eingesetzt werden, wenn dies für den Patienten eine größere Sicherheit und eine schnellere Genesungszeit bedeutet. Für die soziale Interaktion, für die menschliche Komponente sollte weiterhin der Mediziner oder Pfleger im Fokus stehen. Dafür wird künftig mehr Zeit vorhanden sein, wenn Roboter eben auch andere einfachere Tätigkeiten, wie Transport oder Testabstriche, vornehmen.

Quelle Text: Bieschke / schoesslers GmbH

Quelle Bild: Agile Robots